„Ich kann der Verantwortung nicht entkommen

■ Reagans Rede nach dem Tower–Bericht / Nach verheerenden Presseberichten über Regierungskompetenz und Führungsstil gibt sich Reagan reumütig / Konsequenz: Juristische Beratung des NSC und Prüfung aller Aktionen der CIA

Aus Washington Stefan Schaaf

Daß er durch Worte zaubern kann, hat Ronald Reagan schon oft bewiesen. Daß es vor allem Worte sind, die den Zauber seiner Person ausmachen, hat sich dann am deutlichsten gezeigt, wenn sie ihm im Halse steckenblieben, so wie bei seiner Pressekonferenz im vergangenen November. Der Mann, der da auf dem Podium stand und mit den Sätzen und Fakten rang, wirkte plötzlich nur noch alt und grau. Am Mittwochabend wird er sich gewünscht haben, daß der Zauber noch einmal gelingen möge. In seiner ersten Rede nach der Veröffentlichung des Tower–Kommissionsberichts über den Iran–Contra–Skandal ging es um nichts anderes als die Zukunft seiner Präsidentschaft in den noch verbleibenden zwei Amtsjahren. Die ständigen Enthüllungen über das zügellose Treiben seiner Untergebenen haben Reagans Charisma durchlöchert wie ein Sieb, und nur die Allerstarrsinnigsten glaubten noch daran, daß der alte Glanz völlig wiederhergestellt werden könne. Hatten die Berichte über geheime Waffenlieferungen an den Iran nur die Glaubwürdigkeit von Reagans Antiterrorismus–Politik zerschlagen, hatte die Abzweigung von Millionensummen an die Contra nur seine liberalen Kritiker nach dem Staatsanwalt rufen lassen, so hat die voluminöse und akribische Kritik der Tower–Kommission an seinem lockeren Verhältnis zur präsidentiellen Verantwortung mitten in Reagans Herz getroffen. Selbst standhaften Reagan–Unterstützern drängte sich die Frage auf, ob ihr Präsident seinem Job denn noch gewachsen sei. Am wichtigsten war, daß der Kommissionsbericht, anders als bisherige Enthüllungen in der Presse, im gesamten Land verheerende Wirkungen zeitigte. Daß der Präsident seine Amtspflichten in eklatanter Weise vernachlässigt hatte, schlug auch in Nevada oder Alabama wesentlich heftiger ein als ein paar abgezweigte Millionen für die Antisandinisten oder ein Verstoß gegen Waffenexport– Kontrollgesetze, von denen kaum jemand je gehört hatte. Eine wichtige Rede also, bei der es viel zu gewinnen und eine Menge zu verlieren gab. Trotz einiger Pluspunkte auf dem Beliebtheitskonto bleibt ein unangenehmer Nachgeschmack. Zu spät kamen die Einsichten, die Reagan von sich gab, und verständlich ist es eigentlich nicht, warum es erst des Tower–Reports bedurfte, damit er endlich seine Fehler einzuräumen bereit war. „Ich habe während der letzten drei Monate während der Enthüllungen über den Iran geschwiegen“, sagte er, „Sie müssen sich oft gefragt haben, warum sagt er uns nicht, was geschehen ist? Warum versteckt er sich im Weißen Haus? Sie verdienen die Wahrheit.“ Er habe einen Preis für dieses Schweigen in Form eines Vertrauensverlusts bezahlt, doch er mußte „genau wie Sie auf die Wahrheit warten. Die Tower– Kommission hat die Mühe auf sich genommen, die Wahrheit vor mir auszubreiten und den Dingen auf den Grund zu gehen“. Er sei erleichtert, daß die Kommission überzeugt gewesen sei, daß auch er die ganze Geschichte ans Tageslicht bringen wolle. „Ich habe den Bericht studiert - seine Schlußfolgerungen sind ehrlich, überzeugend und äußerst kritisch - und ich akzeptiere sie. Ich übernehme die volle Verantwortung für mein Handeln und das meiner Administration.“ Er billige geheime Bankkonten ebensowenig wie fehlgeleitete Gelder, er müsse allerdings einräumen, daß es sie unter seiner Verantwortung gegeben habe. Der Bericht der Tower–Kommission habe ihn auch davon überzeugt, daß sein innerstes Gefühl, nie Waffen gegen Geiseln ausgetauscht zu haben, ihn getrogen habe. „Die Tatsachen und Beweise machen deutlich, daß, was als strategische Öffnung zum Iran begann, durch die Form, in der diese unternommen wurde, zu einem solchen Tauschgeschäft degenerierte. Das entsprach nicht der Politik meiner Administration.“ Es gebe dafür Gründe, aber keine Entschuldigung. „Es war ein Fehler.“ Einer der Gründe lag in seiner „persönlichen Sorge“ um die Geiseln, wodurch er die Einzelheiten des Gesamtplans zu wenig beachtet habe. Der Tower–Report hat das Rätsel um die Fehlleitung von Geldern an die Antisandinisten in Nicaragua nicht lösen können, doch ist Reagan davon überzeugt, daß auch darüber die Wahrheit herauskommen werde. Er habe von der Abzweigung nichts gewußt, „aber als Präsident kann ich der Verantwortung dafür nicht entkommen“. Reagan räumte ein, daß sein „Management–Stil“ einer der Gründe für das Versagen und die Kompetenzüberschreitungen des Stabs des Nationalen Sicherheitsrats (NSC) gewesen ist. Dieser Stil sei für ihn während seiner Jahre als Gouverneur von Kalifornien und später als Präsident erfolgreich gewesen, doch werde er nun Korrekturen vornehmen. Er habe den Nationalen Sicherheitsrat angewiesen, daß es von dort aus keine unautorisierten und keine geheimen Aktionen mehr geben werde; im übrigen werde es zukünftig im Stab des NSC einen juristischen Berater geben. Außerdem habe er angeordnet, alle Geheimoperationen der CIA einer Überprüfung zu unterziehen. Ende März werde er dem Kongreß über die bisherige Umsetzung der Empfehlungen des Tower–Reports Bericht erstatten.