Höchststrafe für israelischen Spion Pollard

■ Amerikaner verkaufte Hunderte geheimer Militärdokumente an Israel / Pollard und seine Frau bekannten sich schuldig Affaire hat Beziehungen zwischen Israel und den USA belastet / Israelische Diplomaten versuchen, Spannungen abzubauen

Aus Tel Aviv Amos Wollin

Die Verurteilung des amerikanischen Staatsbürgers Jonathan Pollard wegen Spionage für Israel zu einer lebenslangen Haftstrafe hat die Öffentlichkeit Israelsschockiert. Vermutlich wurde durch eine Intervention des Pentagon in letzter Minute eine vorherige Übereinkunft zwischen Verteidigung und Anklage außer Kraft gesetzt, in dem Pollard ein mildes Urteil zugesichert worden war. Das Washingtoner Gericht verhängte am Mittwoch abend die Höchststrafe, obwohl Pollard geständig war und mit der Justiz zusammengearbeitet hatte. Er bekannte sich schuldig, unter ande rem Funkfotos, die von amerikanischen Spionagesatelliten zur Erde übermittelt wurden, Details über sowjetische Waffen und Angaben über Schiffsbewegungen an Israel weitergegeben zu haben. Seine Frau Anne H. Pollard wurde wegen Mittäterschaft zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt. Der Fall Pollard gilt als einer der schlimmsten Spionageskandale in der amerikanischen Geschichte. Der Verurteilte, der früher als ziviler Auswerter bei der US–Marine tätig war, soll nach Auffassung des Gerichts bis zu seiner Festnahme im November 1985 Hunderte von geheimen Militärdokumenten nach Israel verkauft haben. Der Fall hatte auch die traditionell guten Beziehungen der USA zu Israel belastet. Die israelischen Medien, die US–Verteidungsminister Weinberger zum Sündenbock für die hohe Strafe stempelten, gingen jedoch in ihren Kommentaren am Donnerstag davon aus, daß die gemeinsamen Interessen beider Staaten stärker seien als die durch den Fall Pollard hervorgerufenen Spannungen. Zu letzteren trug auch die demonstrative Beförderung des israelischen Oberst Aviem Sella bei, die auf amerikanischen Protest hin aufgeschoben worden war. Sella hatte gemeinsam mit Rafael Eitan, einem ehemaligen hochrangigen Funktionär des Geheimdienstes Mossad, Pollard angeleitet. Am Dienstag war Sella in Abwesenheit von der US–Justiz der Mittäterschaft angeklagt worden. Israel hatte sich nach dem Bekanntwerden des Skandals entschuldigt und versichert, daß offizielle Stellen bei dem „bedauerlichen Zwischenfall“ keine Rolle gespielt hatten. Als Ergebnis der Affaire werde der Antisemitismus in den USA zunehmen, folgert die Tageszeitung Haaretz. Außerdem würden langfristig Juden aus „sensitiven“ Bereichen der Administration entfernt werden. Außerdem könnten amerikanische Juden nun zögern, Vermittlungstätigkeiten zwischen Israel und US–Institutionen zu übernehmen.