Ein Hauch von Fraueneinigkeit

„Der GAL–Vertreter stimmte dagegen“, vermerkte der Protokollant im parlamentarischen Hafen– und Wirtschaftsausschuß. Die Männer, die diesen Themenbereich bislang fraktionsübergreifend unter sich ausgemacht hatten, kriegen es anscheinend noch immer nicht in den Kopf, daß eine Frau vor ihnen sitzt und sich über die ökonomischen Probleme der Hafenstadt informiert zeigt. Genau das ist für die Initiatorinnen mit ein Grund für die Frauenliste: den Beweis anzutreten, daßFrauen in allen Bereichen politisch kompetent arbeiten können. Ganz explizit wollte die Frauenliste „die normale GAL–Programmatik“ vertreten, wie die anderen grünen Fraktionen vor ihr. Dennoch hat sie einige parlamentarische Aktivitäten gestartet, die in einer gemischten Liste vielleicht nicht so zustandegekommen wären, weil sie ausschießlich oder vor allem Probleme von Frauen betreffen. Dazu gehört auch ein mit der SPD interfraktionell ausgehandelter Antrag zur Radioaktivität in Lebensmitteln, der gerade „Risikogruppen“ wie Schwangere, stillende Mütter und Kinder vor Belastungen schützen soll. Mit sanftem aber zielbestimmtem Druck konnten GAL–Parlamentarierinnen und Vertreterinnen der außerparlamentarischen „Tschernobyl–Initiativen“ die Sozialdemokraten und ihre Gesundheitssenatorin Christine Maring dazu bewegen, ihre Aufklärung für Verbraucher/ innen zu verbessern. Die Vorlage, die demnächst durch eine rot–grüne Parlamentsmehrheit verabschiedet werden soll, wenn sie nicht doch noch den angesetzten Neuwahlen zum Opfer fällt, übertrifft in Teilen sogar die weiland von den rot–grünen Koalitionären abgesegneten hessischen Strahlenschutzmaßnahmen. Wie in Hessen soll ein systematisches Meßprogramm die Werte der radioaktiven Belastung sowohl in Lebensmitteln als auch in Boden, Wasser, Erde und Luft in der Umgebung von Atomkraftwerken zusammentragen helfen. Und wie in Hessen sollen wöchentliche Verbraucherinformationen die Presse und interessierte Gruppen über die aktuelle Belastung von Nahrungsmitteln aufklären, denn schließlich steigen derzeit die Becquerelwerte in Milchprodukten wieder an. Über Hessen hinaus geht die Planung, in diesen Verbraucherinfos von Nahrung mit mehr als 30 Becquerel pro Kilo als „stark belastet“ und sogar „ungeeignet“ für Risikogruppen abzuraten. Außerdem sollen sämtliche Meßergebnisse „mit Firmenname, Herstellungs– und Verpackungsorten“ veröffentlicht werden. Das traut sich bislang keine andere deutsche Behörde. Möglicherweise machte aber auch die Hamburger Gesund heitsbehörde aus Rücksicht auf das Wettbewerbsrecht an diesem Punkt noch einen Rückzieher. Ein Hauch von interfraktioneller Fraueneinigkeit war jedoch nicht nur bei der Beratung dieses Antrags zu sprüen. Auch bei der Besprechung einer Großen Anfrage der GAL zur Situation drogenabhängiger Frauen in Hamburg machte sich dieses seltene und von der Frauenliste auch gar nicht unbedingt beabsichtigte Phänomen in der Bürgerschaft bemerkbar. Die Rednerinnen von CDU, SPD und GAL beklagten unisono das Fehlen von Therapieeinrichtungen, die die Spezifiken weiblicher Süchte berücksichtigen. Und überraschenderweise fanden sogar die aus der autonomen Frauenbewegung stammenden Initiatorinnen der „Hamburger Frauenwoche“ offene Ohren bei allen drei Parteien. Der Finanzantrag für ihre diesjährige Veranstaltungsreihe wurde um 35.000 auf 85.000 Mark aufgestockt und von der Bürgerschaft einstimmig abgesegnet. Und mit insgesamt 782.000 Mark sollen auf Beschluß des Parlaments weitere Frauenprojekte gefördert werden: der Verein „Berufliche Autonomie für Frauen“ (BAFF), der dreißig weiblichen Arbeitslosen Berufserfahrungen vermitteln will, das Projekt „Beratung und Information für Frauen“ (BIFF) mit seinen stadtteilbezogenen Selbsthilfegruppen, und die „Dolle Deerns“, die sich mit einem Mädchencafe und einer Arbeitsgruppe „Sexuelle Gewalt gegen Mädchen“ „große Verdienste“ (Senatsdrucksache) erworben haben. Gleichwohl sind diese Beiträge immer noch ein Klacks im Vergleich zu der Förderung von Renomierprojekten des Senats. Daß die Frauenliste derzeit soviele Anträge durchbringt wie die grünen Fraktionen in den vergangenen vier Jahren nicht, ist allerdings nicht unbedingt ihrer Überzeugungskraft geschuldet, sondern in erste Linie den offenen „Hamburger Verhältnissen“, die gewisse Erfolge durch wechselnde Mehrheiten garantieren. Vielleicht aber auch den Initiativen der Frauenliste in eigener Sache. GALierin Heide Neitsch sucht derzeit bei den christ– und sozialdemokratischen Frauen zu erkunden, ob nicht während der Bürgerschaftssitzungen ein Kinderzimmer für die Sprößlinge parlamentsgestreßter Mütter eingerichtet werden könnte. Und Adrienne Goehler möchte „doppelt– und dreifach belasteten Frauen“ einen „mobilen Hausmann“ zur Seite gestellt wissen. Das allerdings stößt nicht bei allen auf Gegenliebe: Es sehe nicht gut aus, wenn sie sich als Parlamentarierinnen auf diesem Wege Privilegien verschaffen würden, schimpft Ulla Jelpke. Ute Scheub