DIW kritisiert Lieferbindung

■ Entwicklungshilfe: Instrument der Mischfinanzierung fördert bundesdeutsche Konzerne / Effizienz der Hilfe gefährdet / „ Protektionismus“

Von Ulli Kulke

Berlin (taz) - Kritik an der Praxis der Bundesregierung, ihre Entwicklungshilfe zunehmend an Einkäufe bei bundesdeutschen Konzernen zu binden, hat jetzt das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) geübt. Das Institut geht davon aus, daß durch diese Einschränkung der Mittelverwendung die Effizienz der Entwicklungshilfe leide wie auch die Lieferbindung insgesamt ein Akt des „Protektionismus auf Drittmärkten“ darstelle. Anzeichen für diese Tendenz sehen die Berliner Forscher in ihrem jüngsten Wochenbericht im stark anwachsenden Gebrauch der „Mischfinanzierungskredite“, bei denen privat–kommerzielle Gelder der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) mit Entwicklungshilfegeldern aus dem Bun deshaushalt zu einem Paket verknüpft werden. Während den Entwicklungsländern im Zeitraum 1980 bis 1982 Mischkredite in Höhe von 1,309 Milliarden DM zugesagt worden waren, stieg die Summe von 1983 bis 1985 auf insgesamt 2,915 Milliarden DM, wie das Institut jetzt errechnete (Gesamt– Entwicklungshilfe–Etat 1986: rund 6,7 Milliarden DM). Für lieferungsgebundene Kredite sei demzufolge immer weniger Geld da. Als Hauptnutznießer dieser Praxis wird unter anderem die Branche der Elektrotechnik genannt. Die Bundestagsfraktion der Grünen hatte in der Vergangenheit mehrfach Entwicklungsminister Warnke (CSU) angegriffen: Er mißbrauche die Entwicklungskredite zunehmend, um für den in seiner Landeshauptstadt München ansässigen Siemens– Konzern High–Tech–Exportaufträge zu akquirieren (über den Weg der Mischfinanzierung). In diesem Zusammenhang hatten die Grünen einen Briefwechsel zwischen Minister Warnke und dem Siemens–Vorstand Kaske veröffentlicht, in dem dieser sich ausdrücklich für die öffentliche Unterstützung seiner Exportbemühungen im Rahmen des Entwicklungshilfeinstrumentes Mischfinanzierung bedankte. Mischkredite sind aufgrund bundesdeutscher Außenhandelsbestimmungen automatisch an deutsche Exporte „liefergebunden“, ohne daß dies im Einzelfall vereinbart werden muß: Weil die privaten KfW–Kredite ans Ausland alle durch die bundeseigene Hermes– Kreditversicherung verbürgt sein müssen und Hermes–Kreditbürgschaften wiederum nur im Zusammenhang mit bundesdeutschen Lieferungen vergeben werden, muß der als Gesamtpaket vergebene Mischkredit für bundesdeutsche Lieferungen verwendet werden - also auch der Anteil aus dem Bundesetat. Grob gerechnet machen die öffentlichen und die privaten Gelder jeweils die Hälfte der Mischkredite aus. Das DIW stellt fest, daß durch Mischkredite keine grundbedürfnisorientierten Projekte oder solche im angeblich präferierten Landwirtschaftsbereich gefördert würden. Zudem kämen für Mischkredite aufgrund der Hermes–Bürgschaftsbedingungen nur kreditwürdige Entwicklungsländer in Frage. Die ärmsten „LLDC“–Länder stünden gegenüber den Schwellenländern anteilsmäßig immer schlechter da. In dem Wochenbericht wird auch angedeutet, daß es sich bei den Mischkredit–Projekten in der Regel um Investitionsvorhaben handele, die vom Empfängerland zuvor international ausgeschrieben worden seien. Deutsche Entwicklungshilfegelder würden dann dafür angeboten, wenn die Auftragsvergabe an deutsche Firmen unter Dach und Fach sei. Bereits 1985 hatte das DIW in einem Wochenbericht die steigende Verwendung der Entwicklungshilfegelder für die Unterstützung von Exportgeschäften bundesdeutscher Unternehmen kritisiert und damit einen durch die massive parlamentarische Kritik der Grünen sensibilisierten Nerv Warnkes getroffen. Der Minister kündigte seinerzeit im Bundestagsausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit Maßnahmen gegen das Berliner Institut an, das sich zu einem großen Teil aus Forschungsaufträgen des Bundes finanziert.