Arbeitgeber spielen mit Feuer

■ IG–Metall–Stellungnahme zu den Flexibilisierungsvorstellungen der Arbeitgeber

Von Martin Kempe

Berlin (taz) - Der Konflikt um die Flexibilisierung der Arbeitszeiten rückt in den Mittelpunkt der diesjährigen Tarifauseinandersetzung um die 35–Stunden–Woche in der Metallindustrie. In den gestrigen Verhandlungsrunden in den Tarifbezirken Nordwürttemberg/Nordbaden und Hessen hat die Industriegewerkschaft Metall die Vorstellungen der Arbeitgeber zu einer unbegrenzten Arbeitsflexibilisierung als „nicht kompromißfähig“ zurückgewiesen. Die Lohntarife laufen am 30. März aus und werden mit den Arbeitszeiten zusammen verhandelt. Während die Frankfurter Vorstandsverwaltung nach Informationen der taz die Arbeitgebervorstellungen zur Flexibilisierung als eindeutige Kampfansage bewertet, hat sich der Vorsitzende des Gesamtbetriebsrats der inländischen VW–Werke, Walter Hiller, am Donnerstag auf einer Betriebsversammlung in Wolfsburg kompromißbereit geäußert. Die inländischen VW–Werke bilden abweichend von der sonst üblichen regionalen Gliederung einen eigenen Tarifbezirk. Die betrieblichen Vertretungsorgane können also mit einer gewissen Unabhängigkeit von der IGM–Zentrale einen eigenen Kurs fahren. Hiller: „Wir sind auch bereit, über die Frage der Flexibilität der Arbeitszeit zu verhandeln und damit den veränderten Produktionsbedingungen gerecht zu werden.“ Der Frankfurter Vorstand dagegegen sieht in dem Vorgehen der Arbeitgeber eine bundesweit koordinierte Aktion, die einen Generalangriff auf die historisch gewachsene soziale Arbeitszeitordnung darstelle. Man bezieht sich dabei auf den in allen Tarifbezirken von den Arbeitgebern in die Verhandlungen eingebrachten Tarifvertragsentwurf, der keine weitere Arbeitszeitverkürzung, dafür aber eine weitreichende Arbeitszeitflexibilisierung vorsieht. Die von Gesamtmetall eingebrachten Positionen, so die IG– Metall, gingen weit über die während der letzten Arbeitszeitrunde 1984 eingebrachten Forderungen hinaus. Es handele sich um ein allgemeines Konzept mit grundsätzlichem Charakter, das sich gegen fundamentale, über hundert Jahre erkämpfte Eckpunkte der Arbeitszeitgestaltung richte: den Achtstundentag, die regelmäßige Verteilung der Arbeitszeit übers Jahr, die Fünf–Tage–Woche von Montag bis Freitag. Ziel von Gesamtmetall sei die Auflösung jeglicher kollektivtarifvertraglicher Schutzbestimmungen. Als Rahmen für die Arbeitszeitgestaltung bliebe dann lediglich die 1938 von den Nazis erlassene Arbeitszeitordnung. Danach wäre eine tägliche Normalarbeitszeit von zehn Stunden ebenso möglich wie der freie Zugriff des Arbeitgebers auf das freie Wochenende der Beschäftigten. Die Wochenarbeitszeit verkäme zu einer puren Rechengröße, die nur im Durchschnitt eines Jahres zu erreichen wäre - eine Regelung, die in extremer Weise Saisonarbeit ermöglichte und gleichzeitig den Zwang für die Unternehmen beseitige, Personalreserven zu halten. Schließlich ersparten sich die Unternehmer auf diese Weise weitgehend die Zahlung von Überstundenzuschlägen. Darüber hinaus liefen die Vorschläge von Gesamtmetall auf eine arbeitszeitpolitische Entmachtung der Betriebsräte hinaus, weil sie eindeutig festgeschrieben haben wollen, daß nicht die Wünsche der Arbeitnehmer, sondern die betrieblichen Erfordernisse maßgeblich für die Regelung der Arbeitszeiten sein sollen. Der liberale Lack einer größeren Zeitautonomie der einzelnen Beschäftigten, mit der die Unternehmer früher ihre Flexi–Pläne unters Volk brachten, sei jetzt abgeblättert. Die Gesamtmetall–Forderung sei kein Versuch zum Interessensausgleich, sondern zusätzlich Konfliktstoff für die laufende Tarifauseinandersetzung. Gesamtmetall spiele mit dem Feuer des Arbeitskampfes.