Die Geiselgerüchteküche brodelt vor sich hin

■ Die Zeitung Al Ittihad spekuliert über den Tod von drei entführten Ausländern, darunter Cordes und Schmidt Spannungen zwischen Syrien und Iran / Teheraner Regierung entsendet wieder Botschafter nach Beirut

Aus Beirut Petra Groll

Die in den Vereinigten arabischen Emiraten erscheinende Zeitung Al Ittihad hat am Wochende berichtet, drei von insgeamt 26 Ausländern, die im Libanon als Geiseln gehalten werden, seien am 22. Februar in Westbeirut getötet worden. Einheiten der ca 7.000 Mann starken syrischen Truppen hatten an jenem Sonntag den Westbeiruter Stadtteil „Basta“ unter Kontrolle genommen, in dem sich die Fattallah–Kaserne, einer der Hauptstützpunkte der pro–iranischen radikalen Schiiten–Partei „Hizbollah“ befindet. Bei jenem blutigen Zwischenfall, so meldete jetzt Al Ittihad“ unter Berufung auf „anonyme Quellen im Umfeld der libanesischen Armee“ nun der US–Botschaft in Beirut, seien drei ausländische Geiseln umgebracht worden. Namen wurden nicht genannt, aber die Zeitung spekulierte, bei zwei von ihnen handele es sich um die beiden Deutschen Cordes und Schmidt, die Ende Januar im Westteil der libanesischen Hauptstadt entführt worden sind. Die Zeitung Al Ittihad, die häufig mit Exclusiv–Interviews von sich reden macht, gilt in Journalistenkreisen als nicht besonders zuverlässig, wenn es sich um libanesische Angelegenheiten handelt. Solcherlei möglicherweise auch gezielte Spekulationen, die bezeichnenderweise ohne Benennung der Informanten veröffentlicht werden, sind auch in arabischen Medien ein Dauerbrenner. Zusätzlich hoffen nach dem Einmarsch der syrischen Truppen auch ein gutes Dutzend westlicher Journalisten in Westbeirut wieder vor Kidnappern geschützt zu sein und rühren genüßlich mit an dieser Gerüchteküche. Als Aufenthaltsort der beiden Deutschen wird am häufigsten der Ort Baalbeck in der ostlibanesischen Beqaa–Ebene genannt. Baalbeck unterliegt ebenfalls der Kontrolle Syriens, das mittlerweile mehr als 30.000 Soldaten hauptsächlich im Norden und Osten Libanons stationiert hat. Seit 1982/83 gilt Baalbeck allerdings auch als ein wichtiger Stützpunkt von Hizbollah. An zweiter Stelle wird auf die vorwiegend schiitischen südlichen Vororte Beiruts getippt. Nur dort und in den angrenzenden umzingelten Palästinenserlagern haben die Syrer bislang nicht die Kontrolle übernommen. Auch der Stadtteil „Bir el Arbed“ und das Gebiet um die iranische Botschaft im Libanon werden als mögliche Verstecke für die ausländischen Geiseln gehandelt. Nach dem Zwischenfall von Basta scheinen die Beziehungen zwischen den sonst verbündeten Regierungen von Syrien und Iran getrübt. Die Teheraner Regierung hat in der letzten Zeit wiederholt zu verstehen gegeben, daß sie ihre Pressure–Group in Westbeirut nicht ohne weiteres der Obhut der syrischen Truppen im Libanon überläßt, der letzte demonstrative Akt war die Entsendung des iranischen Botschafters nach Beirut. Ahmed Dastmaltchian wurde an diesem Samstag von etwa 5.000 Sympathisanten der Hizbollah, darunter unzähligen Frauen in schwarzem Körperschleier, unter lautem Jubel begrüßt. Nachdem die iranischen Interessen in Libanon seit 1983 vom Teheraner Botschafter im Nachbarland Syrien mitvertreten worden waren, hat die Regierung in Teheran ihren Ansprüchen somit besonderen Ausdruck verliehen. Offensichtlich hat man sich aber zwischen Damaskus und Teheran auf „Stillhalten“ verständigt. Von den Syrern wird allenthalben erwartet, daß sie auch dem Problem der ausländischen Geiseln ein Ende setzen. Wenn dem syrischen Präsidenten Assad daran gelegen ist, sein Image als „Ordnungshüter im Libanon“ vor allem der westlichen Welt gegenüber aufrecht zu halten, dann wäre gerade im Geiselgeschäft eine Erfolgsmeldung vonnöten. Abu Iyad, der Sicherheitschef der PLO, der in Geiselfragen als äußerst gut informiert gilt, äußerte jüngst die Vermutung, daß nicht nur vier entführte Professoren des Beiruter University College, sondern auch der verschwundene Geisel–Unterhändler Waite sich in direkter oder indirekter Gewalt Syriens befindet. Mit ihrer Freilassung sei bald zu rechnen, sozusagen als Kreditbeschaffungsmaßnahme für den syrischen Einmarsch in Westbeirut, erklärte Abu Iyad weiter. Geht man weiter davon aus, daß sich die beiden deutschen Geschäftsmänner in der Hand des Hamadeh–Clans befinden, der bekanntermaßen in enger Beziehung zur Hizbollah steht, so läßt sich aus allen Meldungen und Stellungnahmen nur schließen, daß der syrische Einmarsch in Westbeirut nicht automatisch ein baldiges Ende der Affaire bedeutet.