Die „Entmannung“ der ARD–Magazine

■ „Fall Moser“ von Report soll Magazine disziplinierren / Umbruchstimmung in den ARD–Funkhäusern

„Die wollen keinen Ärger, sondern Einschaltquoten“, beschreiben Insider die Stimmung unter den Intendanten der ARD. Und damit sie keinen Ärger bekommen, geht es den Magazinen an den Kragen. Sie waren den Allmächtigen in Parteien und Rundfunkbürokratien schon immer ein Dorn im Auge. Die „Strafversetzung“ des Südwestfunk–Redakteurs Moser unter dem Druck der Atomlobby war deshalb nur Auftakt für eine grundlegende Umkrempelung der Magazine. „Einheitlichkeit und Objektivität“ wird gewünscht, stromlininförmiger Journalismus, der nicht mehr weh tut.

Der zukünftige Intendant des Norddeutschen Rundfunks (NDR), Peter Schiwy, winkt ab: „Ich habe keine Veränderungspläne und auch kein neues Panorama–Konzept.“ Es sei „absolute Spinne“, dementiert Schiwy hart näckig entsprechende Informationen eines Branchendienstes. Den ARD–Magazinen geht es an den Kragen, pfeifen die Spatzen aber mindestens genauso hartnäckig von den Funkhausdächern. Das alte Links–Rechts– Schema, hier und Monitor, dort Report in Baden–Baden und München, und zwischen allen vieren das „graue“ Kontraste–Magazin aus Berlin, funktioniert nicht mehr. Franz Alt ist ausgeschert und erhielt als erster die Quittung, die viele Kritiker des missionarischen Stils sich schon lange gewünscht hatten. Auch Peter Schiwy gibt sich skeptisch: „Das Publikum wendet sich ab“, erklärt er, „deutscher Bierernst ist nicht mehr gefragt.“ Der Nachfolger des noch amtierenden NDR–In tendanten Räuker, ebenfalls CDU–Mitglied, läßt eher Vorsicht walten. Mit seinem Amtsantritt im Mai möchte er „keine Unruhe in den Sender tragen“, sagt er. Dazu bedarf es indes keiner großen Anstrengungen. Nicht nur im Norden verspürt man die mal laut, mal leise betriebene Erosion und Aufweichung der „Magazinfront“, wie es in den betroffenen Redaktionen heißt. Ob bei Report Baden–Baden unter Franz Alt oder bei Monitor unter Klaus Bednarz, es knistert ganz gewaltig im ARD–Gebälk. Auch beim ZDF wird über ein „einheitliches, objektives Magazin“ aus Kennzeichen D und „ZDF–Magazin“ nachgedacht. Der auch für CDU–nahe Leute als „institutionalisiertes Ärgernis“ empfundene Gerhard Löwenthal vom ZDF–Magazin wird ab 8. Dezember in die „Zwangspensionierung“ (Löwenthal) geschickt werden. Damit der Bruch nicht allzu deutlich wird, soll der Anti–Walraff–Fighter Heinz–Klaus Mertes, stellvertretender Leiter von „Report“ in München, das unter Lojewski zum unbestrittenen rechten Kettenhund geworden ist, nachfolgen. Aber so ganz gewiß ist auch das noch nicht. ZDF–“Einheitlichkeit“, dieses Schlagwort geistert seit der Intendanten–Runde im Januar auch durch die vom ARD–Direktor Hilf ausgelöste „Reform–Debatte“, aus der die rebellischen unter den Magazinen mit gestutzten Flügeln herauskommen sollen. Unter der publizistischen Begleitung von FAZ und Welt hat vor allem der dem CDU–Medienbeirat nahestehende Branchendienst „rundy“ vom Bild–Medienexperten Reginald Rudorf dafür gesorgt, daß die „linken Magazine“ den Boden un ter den Füßen verlieren. Gegenüber der taz äußert sich Rudorf ungeschminkt über das Ende der öffentlich–rechtlichen Aushängeschilder: „Die TV–Magazine werden politisch geschlechtslos, entmannt, entschärft und umgetauft werden.“ Ein FAZ–Stil werde sich breit machen, prophezeit Rudorf, „immer auf der Linie des Sowohl–als–auch“. Nicht einmal der WDR–Intendant Nowottny mochte vergangene Woche zirkulierenden Plänen über ein „einheitliches Magazin der ARD“ eine deutliche Absage erteilen. „Reizvoll“ nannte er solche Vorstellungen, wenn gleich sie auch die „ARD–Wirklichkeit auf den Kopf“ stellten. Denn das Proporz– und Personenkarussell, das weiß auch Nowottny, lassen sich die in den Landesrundfunkanstalten versammelten Politiker so schnell nicht aus den Händen nehmen. Daß sie die letzten journalistischen Profilierungsmöglichkeiten des öffentlich–rechtlichen Fernsehens gegenüber der privaten Konkurrenz aus den Händen geben, scheint gewollt. Beispiel NDR: Weil Buchautor, Filmjournalist und Panorama–Mitarbeiter Stefan Aust bei den Gremien nicht durchzusetzen sei, so neulich Programmdirektor Seelmann–Eggebert, müsse man auf ihn als Nachfolger des rauschbärtigen Peter Gatter verzichten, der als ARD–Korrespondent nach Singapore will. Aussichtsreichster Nachfolgekandidat scheint derzeit der als Flick–Enthüller be kanntgewordene Joachim Wagner zu sein, dem aber zuviel „Biegsamkeit Richtung Sozialdemokratie“ nachgesagt wird. Weil es beim NDR aber auch Stellvertretende und Chefredakteure zu benennen gibt, als heiße Favoritin gilt Tagesthemen–Moderatorin Ulrike Wolf, ist der letzte Würfel über das zu schnürende Personalpaket noch nicht gefallen. „Wagner und Wolff“, so NDR–Spötter, „sind gewiß das Traumpaar der ARD.“ Ausgewogenheit wäre garantiert. Gewarnt durch die massive Kritik nicht nur der einschlägigen AKW–Lobby und der parteipolitischen Instanzen, hätte der Zuschauer heute abend eigentlich einen fundierten Bericht über die Strafversetzungsaktion erwarten können. Aus bisher offiziell nicht genannten Gründen durfte die Monitor–Mannschaft das „hausinterne“ Thema nicht mehr „ausrecherchieren“. bmm