Eine Kriegserklärung an Colombo?

■ Indien plant Seebrücke in den Norden Sri Lankas Wirtschaftsboykott von Jaffna soll unterlaufen werden

Aus Colombo Walter Keller

Mit einer Seebrücke in die nördlichen Gebiete Sri Lankas will die indische Zentralregierung jetzt versuchen, den von Colombo vor zwei Monaten begonnenen Wirtschaftsboykott gegen die hart umkämpfte und mehrheitlich von Tamilen bewohnte Jaffna–Halbinsel zu unterlaufen. Dies teilte heute die im südindischen Mares erscheinende Tageszeitung The Hindu mit. Informationen des Hindu zufolge soll eine endgültige Entscheidung innerhalb der nächsten 48 Stunden fallen. Sollte es zu einer „Seebrücke“ kommen, würden die indische Zentralregierung Forderungen von Politikern aus dem südindischen Bundesstaat Tamil Nadu nachgeben, die bereits seit Beginn der Wirtschaftsblockade eine stärkere Intervention New Delhis in der Tamilenfrage fordern. Noch am letzten Wochenende hatte der ehemalige Minister C. Subramaniam die Regierung Rajiv Gandhi aufgefordert, aus humanitären Gründen mit der Lieferung von Treibstoff und Lebensmitteln zu beginnen. Damit solle ein erneuter Flüchtlingsstrom aus den tamilischen Gebieten Sri Lankas nach Indien vermieden werden. Derzeit leben bereits 124.000 srilankische Flüchtlinge in Indien. Die Pläne Indiens wurden bisher von offizieller Seite in Sri Lankas Hauptstadt Colombo nicht kommentiert. Beobachter befürchten jedoch, daß durch die Aufnahme der „Seebrücke“ eine weitere Zuspitzung im Verhältnis der beiden Staaten erfolgen könnte. „Sollte die indische Marine in srilankanische Gewässer eindringen, würde dies einer kriegsähnlichen Situation entsprechen“, sagte der Vertreter einer Menschenrechtsorganisation in Colombo. Gleichzeitig werden aus Jaffna neue Auseinandersetzungen zwischen staatlichen Sicherheitskräften und Mitgliedern der tamilischen Guerillaorganisation „Liberation Tigers of Tamil Eelam“ gemeldet.