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D O K U M E N T A T I O N Was in Bonn doch noch beschlossen wurde

■ Bei den am Montag abgeschlossenen Bonner Koalitionsverhandlungen wurde ein umfangreiches Regierungsprogramm beschlossen/ Wir dokumentieren die wichtigsten Entscheidungen nach einem Wortlaut der Deutschen Presseagentur:

Wirtschafts– und Sozialpolitik Einmal pro Woche soll die Ladenöffnungszeit verlängert werden. Diesem „Dienstleistungsabend“ sollen sich auch die Behörden anschließen. Post– und Fernmeldewesen wird neu strukturiert, die Chancen für private Anbieter am Endgerätemarkt verbessert. Das Wettbewerbsrecht wird überprüft. Der „Kohlepfennig“ zur Sicherung des Kohleeinsatzes bei der Stromerzeugung wird neu berechnet. Die Stromverbraucher müssen mit einer Verteuerung rechnen. Der Abbau der Kohlekapazitäten soll „sozial flankiert“ werden. Die Kokskohlenexporte werden ab 1988 stufenweise nicht mehr subventioniert. Das Betriebsverfassungsgesetz soll novelliert werden, um Minderheitenrechte und Sprecherausschüsse für leitende Angestellte zu verankern. Die besondere Montanmitbestimmung wird verlängert. Bei der Einführung neuer Techniken sollen die Betriebsräte ein Beratungs–, nicht aber ein Mitentscheidungsrecht erhalten. Für die Struktur der Renten– und Krankenversicherung sollen bis zum Herbst bzw. bis Anfang 1988 Vorschläge vorgelegt werden. Der Bundeszuschuß zur Rentenversicherung wird um einen noch festzulegenden Betrag angehoben. Frauen– und Arbeitsmarktpolitik Programme zur beruflichen Wiedereingliederung von Frauen. Abbau von Beschäftigungshemmnissen, z.B. Nachtarbeitsverbot für Frauen. Die Rahmenbedin gungen für Teilzeitarbeit im öffentlichen Dienst sollen verbessert werden, ebenso Bedingungen für Beurlaubungen. Verbesserungen für arbeitslose Jugendliche und ältere Erwerbstätige. Die Bezugsfrist für Kurzarbeitergeld soll von bisher sechs Monaten auf zwei Jahre verlängert werden. Durch längere Zahlung von Überbrückungsgeld soll Arbeitslosen die Gründung einer selbständigen Existenz erleichtert werden. Eventuelle Überschüsse in der Arbeitslosenversicherung sollen vorrangig für Beitragssenkungen statt für Leistungsverbesserungen verwendet werden. Agrarpolitik Die staatliche Förderung soll sich auf Familienbetriebe konzentrieren und Agrarfabriken ausschließen. Zuschüsse zur Sozialversicherung wie auch die Vorsteuerpauschale für die Bauern sollen bei genutzter Flächen. Umweltpolitik Ein umfangreiches Maßnahmenbündel zur Reinhaltung von Wasser, Luft und Boden. Der Umweltschutz soll als „Staatsziel“ im Grundgesetz verankert werden, schädliche Treibgase verboten, die Einwegflasche soll zurückgedrängt werden. Bei Diesel–Pkw, die nicht die strengen US–Normen erfüllen, soll die Steuervergünstigung wieder abgeschafft werden. Für Lkw sollen die Schadstoffgrenzwerte verschärft werden. Die Bußgelder für Umweltsünder sollen erhöht werden. Für Unternehmen soll es eine obligatorische Umwelthaftpflichtversicherung geben. Alternative Energien sollen verstärkt erforscht werden. Mit der DDR und anderen Ostblockstaaten soll auf dem Gebiet der Luftreinhaltung zusammengearbeitet werden. Dabei soll es auch gemeinsame „Modellprojekte“ mit positiver Auswirkung auf die Umwelt im Bundesgebiet und in Berlin geben. Gesundheitspolitik Zur Erforschung der Aids–Krankheit und zur Betreuung von Kranken sollen die bisherigen Mittel von 20 Millionen um 135 Millionen Mark aufgestockt werden. Anstelle der von der CSU geforderten ärztlichen Meldepflicht eine anonyme Berichtspflicht für die Labore eingeführt werden. Gegen Personen, die „rücksichtslos und vorsätzlich“ die Aids–Infektion verbreiten, soll „mit allen rechtlichen Mitteln“ vorgegangen werden. Vor dem Hintergrund der hohen Zahl von Abtreibungen soll ein Beratungsgesetz zum Schwangerschaftsabbruch verabschiedet werden. Ziel ist, mit der Beratung der Schwangeren so früh wie möglich zu beginnen. Die Beratungsstellen sollen stärker angehalten werden, über die Inanspruchnahme der Sozialhilfe und der Mittel der Stiftung Mutter und Kind zu informieren. Die Indikationen sollen nicht von denselben Ärzten festgestellt werden, die zuvor die gesetzlich vorgesehene soziale Beratung vorgenommen haben. Bei den Krankenkassen sollen die Abtreibungen nur abgerechnet werden dürfen, wenn die gesetzliche Meldepflicht erfüllt wird. Innen– und Rechtspolitik Verschärft werden soll die Strafe für Waffen–, Munition– und Sprengstoffdiebstahl; die Strafen für schwere Fälle von Störungen öffentlicher Betriebe (Eisenbahn, Post, Verkehr, Energie, Sicherheit), falls die Versorgung mit lebenswichtigen Gütern beeinträchtigt wird. Geprüft werden soll, ob verurteilte Terroristen nur noch dann vorzeitig zur Bewährung entlassen werden können, wenn sie sich bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen auch glaubhaft vom Terrorismus losgesagt haben. Im Mittelpunkt des Interesses stand bislang die sog. Kronzeugenregelung und das Vermummungsverbot für Demonstranten. Die Regierungspartner einigten sich darauf, die „notwendigen Maßnahmen“ bis zum Herbst zu beschließen. Die beabsichtigte Kronzeugenregelung soll Mördern keine Straffreiheit, sondern lediglich eine Strafmilderung zugestehen. CDU/CSU/FDP stellten Grundsätze zum Datenschutz auf, die Leitlinien für durch das Volkszählungsurteil des Verfassungsgerichts notwendig gewordene Rechtsänderungen sein sollen. dpa

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