Koalition einig - Streit um Ministerposten

■ CDU/CSU setzen sich bei den Koalitionsverhandlungen zur Inneren Sicherheit durch / FDP erkennt Handlungsbedarf an / Entscheidung im Herbst

Aus Bonn Oliver Tolmein

In Bonn brodelte gestern nachmittag die personalpolitische Gerüchteküche. Vor der Presse erklärte Strauß, Kohl habe ihm zur Auswahl das Finanz–, Verteidigungs– und Innenministerium angeboten. Er habe sich eine Entscheidung bis heute früh vorbehalten. Nachdem klar ist, daß die FDP auf jeden Fall Anspruch auf ein viertes Ministerium erheben will, wird spekuliert, ob den Liberalen das Post–, das Bildungs– oder ein neues Ministerium unklaren Zuschnitts zufallen wird. Nach Auskunft aus FDP–Kreisen sind die Verhandlungen allerdings am Nachmittag „ins Stocken gekommen“. Unklar ist auch, ob es einen Revierschutz für die CSU–Ministerien geben soll - allerdings bestehen kaum mehr Zweifel, daß die CSU weiterhin den Innenminister stellen wird. Am Montag abend haben CSU und CDU einen Durchbruch in den Koalitionsverhandlungen um die Innere Sicherheit erzielen können. Die FDP konnte dazu bewogen werden, „Handlungsbe darf“ im Bereich Innere Sicherheit anzuerkennen. Dieser Handlungsbedarf soll durch einen Fünf–Punkte–Katalog gedeckt werden können: strafrechtliche Verfolgung von Verstößen gegen das Vermummungsverbot, eine auf vier Jahre angelegte Kronzeugenregelung, ein Verbot der „passiven Bewaffnung“, Wiedereinführung eines strafrechtlichen Verbots der „Befürwortung von Gewalt“ (der alte §88a) und eine Erweiterung und Verschärfung des §125 StGB (Landfriedensbruch). Bis Herbst dieses Jahres soll geklärt werden, welche dieser Verschärfungen wie eingeführt werden. Auf einer Pressekonferenz stellte CDU–Generalsekretär Geißler klar, daß er nur beim ersten Punkt (Vermummungsverbot) damit rechnet, daß es zu Schwierigkeiten mit der FDP kommt: Dort existiere nämlich ein anderslautender Parteibeschluß der Liberalen. Geißler hält es für gut möglich, daß es der FDP–Parteispitze gelingt, innerhalb der Partei an diesem Punkt ein „Umdenken“ zu bewirken. Für wesentlich halten er sowie Mitglieder der CSU–Bundestagsfraktion, daß die FDP unterschrieben hat, daß ein „Handlungsbedarf“ zum „Schutz des Demonstrationsrechts vor Gewalttätern“ besteht. Fortsetzung Seite 2 Bericht Seite 5 Kommentar Seite 4 Die angestrebte Kronzeugenregelung unterscheidet sich in einem Punkt von der Ende 1986 diskutierten: Für „Kronzeugen“, die selbst an einem Mord beteiligt waren, soll es nur eine Strafminderung, keinen völligen Straferlaß geben. Eine andere, mindestens genauso relevante FDP–Forderung von 1986 wurde allerdings nicht akzeptiert: Kronzeugen sollen nicht erst während der Gerichtsverhandlungen zu solchen gemacht werden, es soll ausreichen, wenn der Ermittlungsrichter in Zusammenarbeit mit dem Generalbundesanwalt sie als solche akzeptiert. Der Fünf–Punkte–Katalog ergänzt die bereits am 19. Februar von der Koalition beschlossenen umfangreichen Strafrechtsverschärfungen, zusätzlichen Sicherheitsgesetze und Fahndungsverbesserungen (taz vom 4.3.87). Die CDU/CSU Bundestagsfraktion stimmte auf dem Paket zu. Auf der gestrigen Pressekonferenz erläuterte Geißler es sei „allgemeiner Wille“ gewesen, daß die „innere Sicherheit aus dem Katalog der Streitpunkte in der Koalition endgültig verschwindet“. Er präzisierte auch, was seiner Meinung nach die vom Bundesinnenminister zu benennende „unabhängige Regierungskommission“, die sich mit der Erforschung der Ursachen der Gewalt beschäftigen soll, in den Vordergrund ihrer Arbeit stellen soll: „Den Zusammenhang von marxistischen Positionen und der Zunahme von Gewalt“. Die Situation in der Bundesrepublik sei geprägt von wachsender linksradikaler Gewaltbereitschaft einerseits und dem fast völligen Fehlen rechtsradikaler Gewalt andererseits: „Wenn die Rechtsradikalen aber sehen, daß gegen die Gewalt der Linksradikalen, Chaoten, Neomarxisten und Kommunisten von Staats wegen nichts unternommen wird, werden sie sich auch nicht länger zurückhalten“.