Vom srilankischen Regen in die Londoner Traufe

■ Zu Besuch bei tamilischen Flüchtlingen im Abschiebelager von Harmondsworth / Die Thatcher–Regierung versucht, sich mit allen legalen und illegalen Mitteln der Asylsuchenden zu entledigen / „Das Schlimmste ist die Unsicherheit des Wartens“

Aus London Rolf Paasch

„Wen wollen Sie denn sehen?“ Paul Sathianesan vom „Tamil Relief Fund“ sagt einen Namen und wir dürfen die Frauenabteilung des Abschiebelagers in Harmondsworth betreten. Durch die Fenster des langgezogenen Flachbaus können die 16 hier untergebrachten tamilischen Frauen und Mädchen die auf dem Londoner Flughafen von Heathrow startenden und landenden Flugzeuge verfolgen. Mit einer dieser Maschinen sind sie Mitte Februar von Malaysia über Bangla Desh hier in Heathrow eingetroffen. Mit einer dieser Maschinen wollte sie der britische Innenminister auch postwendend wieder zurückschicken; und das, ohne der unabhängigen Ausländerbehörde Zugang zu den Asylsuchenden zu gewähren. „Wir haben geweint und geschrien“, berichtet Komathy Mylvahanan noch heute erregt über die dramatischen Vorgänge auf dem Rollfeld. Nur durch ihren Protest konnten die unerwünschten Ankömmlinge ihre Abschiebung verzögern, so daß sie in letzter Minute doch noch die einstweilige Verfügung eines Richters erreichte. Die Regierung beharrte jedoch auf ihrer baldmöglichen Abschiebung. Die Tamilen seien Wirtschaftsflüchtlinge, die über gewiefte Fluchthelfer die britischen Einwanderungsbestimmungen umgehen wollten, erklärte Maggies „rechte“ Hand in Sachen Asylanten, David Waddington, dem Unterhaus. „Wie sollen wir uns denn echte Ausweise beschaffen, wenn schon die Reise nach Colombo wegen der zahlreichen Armeesperren lebensgefährlich ist“, fragt uns die 24jährige. Ganze 40 von über 4.300 Asylsuchenden wurden von den britischen Einwanderungsbehörden in den letzten vier Jahren nach der Definition der Vereinten Nationen als „politische Flüchtlinge“ anerkannt. Rund 2.500 von ihnen bekamen allerdings aufgrund „besonderer Umstände“ eine einstweilige Aufenthaltserlaubnis. Mit dem Vorwahlkampf scheint die Regierung Thatcher auch noch die letzten Spuren einstiger Liberalität in der britischen Einwanderungsgesetzgebung beseitigen zu wollen. Zwar sah sich Innenminister Hurd nach öffentlichen Protesten und der Drohung eines Verwaltungsgerichtsverfahrens gegen sein Ministerium in der letzten Woche gezwungen, der Ausländerbehörde ihre Interviews mit den Tamilen zu erlauben; aber noch am gleichen Abend verkündete er im Unterhaus ein Sondergesetz zur Verschärfung des Anerkennungsverfahrens. Fluggesellschaften, die ausweislose Passagiere nach Großbritanien bringen, müssen nun mit einer Geldstrafe rechnen. „Das Schlimmste ist die Unsicherheit des Wartens“, beschreibt Komathy den zweiten Teil ihrer Odyssee nach der Ankunft in Heathrow. Die 58 Tamilen wurden seitdem von Hotel zu Hotel gekarrt, in kleine Gruppen aufgeteilt. Zwei Familien sitzen noch heute im „Holiday Inn“–Hotel, wo sie - der Presse leicht zugänglich - auf den Bildschirmen der Nation den Eindruck hinterlassen, alle Asylanten seien vorbildlich untergebracht. Doch die Mehrheit der 58 Tamilen sitzt mittlerweile völlig isoliert in schnell umgerüsteten viktorianischen Gefängnissen in Mittelengland. Da die überfüllten Knäste Großbritanniens aus den Nähten platzen, will das Innenministerium jetzt eine ausrangierte Autofähre aufkaufen, um die Flüchtlinge auch symbolisch von britischem Territorium fernzuhalten. Was die Neuankömmlinge in Großbritannien erwartet, zeigt sich uns beim Besuch des gegenüberliegenden Männertraktes in Harmondsworth. Hier treffen wir Jowmaran und Balakaishnan aus Trikomalee, dem wichtigen Militärhafen Sri Lankas. Seit nunmehr neun Monaten sitzen sie in Abschiebehaft. Sie dürfen das Gebäude nicht verlassen. Tagsüber werden die engen Dreibettzimmer abgeschlossen, steht ihnen nur der Besucherraum oder der Fernsehraum zur Verfügung. Der 26jährige Balakaishnan hatte vor seiner Flucht vier Monate im berüchtigten Boosa–Lager verbracht. Über die dortigen Folterpraktiken, die so manche Amnesty–Akte füllen, will er nicht reden. „Wenn du im wehrfähigen Alter bist“, so sagt Jowmaran, dann bist du für die Armee ein Terrorist, ganz gleich, ob du politisch aktiv warst oder nicht. „Als wir hier landeten, dachten wir, wir seien dem Gefängnis entronnen, dabei haben sie uns hier nur in das nächste geworfen“, ergänzt sein Freund verbittert. Was sie tun würden, wenn ihnen morgen politisches Asyl erhalten „würden“? Beide lachen ungläubig. „Eine Woche Urlaub machen, spazieren gehen und“ - Jowmaran blickt nach draußen - „tief Luft holen“.