Der DGB sammelt seine Kräfte

■ Solidaritätskampagne für kalt Ausgesperrte / Annäherung der Gewerkschaften an neue soziale Bewegungen / Menschenketten und Solidaritätskonzerte geplant / Geldsammlungen vorgesehen

Berlin (taz) - Solidaritätsaktionen von nie dagewesenem Ausmaß hat DGB–Chef Ernst Breit am Mittwoch nachmittag in Bonn für den Fall angekündigt, daß es im derzeitigen Tarifkonflikt um Arbeitszeitverkürzung zu Arbeitskampf und Aussperrung kommen sollte. Nach einer Sitzung des DGB–Bundesausschusses meinte Breit, weder die Arbeitgeber noch die Regierungskoalition, die die Änderung der Streikgesetzgebung im letzten Jahr betrieben haben, verfügten „über eine hinreichende Phantasie, was sich bei einem längeren Arbeitskampf und bei exzessiver Anwendung der kalten Aussperrung in der Bundesrepublik abspielen würde“. Ganz sicher wird der DGB keine Lohnersatzleistungen für kalt Ausgesperrte organisieren können. Ziel der in allen Landesbezirken, Kreisbüros und Ortskartellen angelaufenen Vorbereitungen ist, den Ausgesperrten ein Gefühl von Solidarität zu vermitteln und ihren Unwillen über die ausbleibenden Lohnzahlungen an die richtige Adresse zu lenken: an Unternehmer und Behörden. In einem Beschluß des DGB–Vorstandes verpflichten sich alle Einzelgewerkschaften, ihre Untergliederungen an den Vorbereitungen zur Solidaritätskampagne zu beteiligen. Gedacht ist dabei zum Beispiel an Betriebspartnerschaften für kalt ausgesperrte Beleg schaften, an Sammeln von Lebensmitteln, Geld sowie an öffentliche Veranstaltungen jeglicher Art. Unabhängig vom DGB rief gestern die Initiative „Solidarität gegen Arbeitslosigkeit - für Vollbeschäftigung“ zur Bildung von Solidaritätskomitees für den DGB auf. Bürgerkomitees sollen die Gewerkschaften bei ihrem dritten Anlauf im Kampf um die 35–Stunden–Woche unterstützen. Hans Janßen, Ex–Mitglied des IG–Metall–Vorstandes, nannte den Aufruf der Initiative „einen Versuch, zu einer großen sozialen Bewegung zu kommen“. In der Vergangenheit hätte es sich der DGB bei der Annäherung an die neuen sozialen Bewegungen „nicht leicht gemacht“. Doch mittlerweile seien die Gewerkschafter aufgeschlossener. Janßen: „Allein können die Gewerkschaften - zumal nach der Änderung des Streikparagraphen 116 - im Kampf um die Arbeitszeitverkürzung nicht bestehen.“ Nicht nur in der Sache, auch in bezug auf Aktionsformen versuchen die „alte“ und die neuen sozialen Bewegungen den Brückenschlag: Zur Durchsetzung der 35–Stunden–Woche sind nicht nur Streiks, sondern auch Menschenketten und Solidaritätskonzerte vorgesehen. Vertreter der Vorstände von IG Metall sowie IG Druck und Papier haben den Solidaritätsaufruf begrüßt. marke/st