Rotation in den Sicherheitsdiensten

■ CSU bekommt Staatssekretär im Verteidigungsministerium und damit Kontrolle über MAD / Nachfolger des VS–Präsidenten noch unbekannt / Schreckenbergers Zukunft ungewiß / CSU–Mann Pfahls löst Ermisch ab

Aus Bonn Oliver Tolmein

Nachdem Bundeskanzler Kohl sein Kabinett vorgestellt hat, wurden am Wochenende überraschend personelle Veränderungen auf der Ebene der beamteten Staatssekretäre bekanntgegeben. Günter Ermisch, der erst Anfang 1984 auf die Hardthöhe gekommen war, wird in den einstweiligen Ruhestand versetzt. Sein Nachfolger wird der Strauß–Vertraute Holger Pfahls, seit zwei Jahren Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Über einen angeblich bevorstehenden Rücktritt Ermischs, zu dessen Zuständigkeitsgebiet auch der Militärische Abschirmdienst (MAD) gehört, hatte es bereits Anfang letzten Jahres Gerüchte gegeben. Deren Hintergrund war die gescheiterte Ehe Ermischs. Bundesverteidigungsminister Wörner hatte sich damals aber relativ schnell, die Kießling–Affäre noch gut in Erinnerung, vor seinen Staatssekretär gestellt.Der heute 54 Jahre alte CDU–Mann Ermisch war 1978 von Horst Herold als Vizepräsident zum BKA geholt worden. Gründe für seine überraschende Versetzung in den Ruhestand waren gestern vom Verteidigungsministerium nicht zu erfahren. 1986 allerdings wurde darauf verwiesen, daß Ermisch auch deswegen nicht in den Ruhestand versetzt werden sollte, weil absehbar war, daß die CSU Anspruch auf diesen Staatsekretärsposten erheben würde. Der CDU und der FDP ging es damals darum zu verhindern, daß nach dem Verfassungsschutz noch ein zweiter Nachrichtendienst (der MAD) unter CSU– Kontrolle geriete. Dieses Interesse scheint nicht mehr zu bestehen, denn Holger Pfahls ist ein CSU–Mann, wie er im Buche steht. Der 45jährige war Staatsanwalt, Amtsrichter und Assessor beim Bayerischen Obersten Landesgericht. Er wechselte dann ins bayerische Umweltministerium, stieg rasch zum persönlichen Referenten von Strauß auf und wurde 1982 Leiter der Abteilung für Grundsatzfragen in der bayerischen Staatskanzlei. Als Verfassungsschutzchef hat er sich einen Namen vor allem durch seine Attacken gegen den Datenschutz gemacht. Sein Wechsel auf die Hardthöhe dokumentiert das große Interesse der CSU am Verteidigungsministerium. Es scheint klar, daß sich Pfahls auf seinem neuen Posten nicht einfach den Direktiven seines CDU–Ministers unterordnen wird. Unklar ist noch, wer Nachfolger von Pfahls werden soll. Im Gespräch ist bisher vor allem der derzeitige BKA–Vizepräsident Gerhard Boeden, der allerdings in drei Jahren die Altersgrenze erreicht. Außerdem ist Boeden CDU–Mann und es scheint unwahrscheinlich, daß die CSU auf ihren Anspruch, den VS–Präsidenten zu stellen, verzichten wird. CSU–Mitglied ist dagegen ein anderer Kandidat: Paul Münstermann, derzeit Vizepräsident des BND und dort früher für Geheimschutz und Spionageabwehr zuständig. Als aussichtsreicher Kandidat gilt zudem der MAD–Vizepräsident von Hoegen, der früher beim BKA war. Ob es zu einem weiteren Wechsel im Bereich der Sicherheitsdienste kommt, ist unklar: Waldemar Schreckenberger, Staatsekretär im Bundeskanzleramt, Kohl–Freund und Koordinator der Sicherheitsdienste, soll sich für einen demnächst freiwerdenden Richterposten am Bundesverfassungsgericht interessieren. Gerüchte über einen „jetzt aber wirklich bevorstehenden“ Wechsel des Professors für Rechtsphilosophie, auch „das Bermudadreieck im Kanzleramt“ genannt, begleiten dessen Karriere aber schon, seit er 1982 von Kohl auf seinen Posten gehievt wurde. Weder als BND–Chef, noch als Präsident des Bundesrechnungshofes war er aber durchsetzbar. Und weil Kohl seinen Schulfreund nicht im Regen stehen lassen möchte, steht zu erwarten, daß „Schrecki“ irgendwann auch seinen Verzicht auf den Bundesverfassungsrichterposten erklären wird und bleiben wird, wo er sich am wohlsten fühlt: an Freund Helmuts Seite.