„Täter–Therapie nur durch Männer“

Köln (taz) - Die Erfahrungen mit den Tätern in Therapie und Strafvollzug stand am Sonntag morgen auf dem Programm: Ein Bereich, der nach schnellen Lösungen schreit, aber nur unzulängliche Ansätze bietet und die Teilnehmerinnen des Kongresses „Kampagne gegen sexuelle Gewalt“ wie kein anderes in ein einziges Dilemma führte; einerseits das Gefängnis als notwendiger Schutz: „Ich will nicht, daß die Täter frei rumlaufen“, so eine der Organisatorinnen, Halina Bendkowski; andererseits die Darstellung des Gerichtsmediziners Wilfried Rasch, wonach die Täter im Strafvollzug derart „negativen Einflüssen ausgesetzt sind, daß der Rückfall programmiert ist“. In dieser Situation richten sich Hoffnungen auf Ansätze der „Täter–Therapie“: In der Bundesrepublik allerdings ein großes Problem, da „entgegen besserer Einsicht“ keine sozial therapeutische Anstalten eingerichtet würden, so Rasch. Er warnte aber gleichzeitig vor einer „Behandlungseuphorie“ und Zwangstherapien, wie sie etwa aus den USA bekannt wurden: Dort herrscht für sexuellen Mißbrauch Meldepflicht, und nach Darstellung des Sozialpädagogen Spoden werden die Täter vor die Wahl Therapie oder Gefängnis gestellt. Heftig angegriffen wurden die Geschlechtsrollen–Seminare in der Haftanstalt Hameln für jungendliche Vergewaltiger, die in Zusammenarbeit mit einer Frauengruppe durchgeführt werden: „Die ehrenamtliche Arbeit dieser Frauen an den Männern ist ein Skandal“, sagte Halina Bendkowski. Außerdem liefen diese Seminare „auf eine Art Gehirnwäsche“ der Vergewaltiger hinaus, ergänzte Sabine Klein–Schonnefeld von der „AG Institutioneller Umgang mit Vergewaltigungsopfern“: Den Tätern werde erneut ein Fremdprogramm aufgezwungen, was deren Gewaltpotential nur erhöhe. Die Sozialwissenschaftlerin Tina Thürmer–Rohr stellte „Täter–Therapie“ durch Frauen grundsätzlich in Frage: Dahinter verberge sich eine „Männermystifizierung im neuen prächtigen Gewand“. Sie forderte „Täter– Therapie durch Männer“: Das allein könne deutlich machen, „daß dem Gewalttäter und den Männern als Repräsentanten der Männergesellschaft die bedingungslose Verantwortung für ihre Taten übertragen werden muß“. Und: „Nur der Mann, der das geheime Bündnis mit der Gewalt aufkündigt, kann eine Veränderung des männlichen Verhaltens aufnehmen.“ In diese Richtung wies auch die skeptische Frage einer Teilnehmerin: „Warum muß ich mir wieder fürsorgliche Gedanken machen, was mit den Männern passiert, statt mich um die Opfer zu kümmern?“ Die nämlich, das zeigten viele Berichte, kommen in der BRD viel zu kurz. Um Hilfe für sexuell mißbrauchte Mädchen ging es in Berichten über Modellprojekte in den USA: In Philadelphia, so Marion Mebes aus Berlin, sei in jedem Gericht eine spezielle „Einheit“ tätig, die sich nur mit sexueller Gewalt beschäftige und eine einzelne Mitarbeiterin dem Mädchen während des Prozesses zur Seite stelle. Ein Büro des „Frauen–Notrufs“ im Gericht sorge außerdem für jede Form von Unterstützung und Beratung. In Seattle sei ein Sexualzentrum im Krankenhaus entstanden: Werde in diesem Krankenhaus bei einem Mädchen z.B. eine Geschlechtskrankheit (ein fast sicheres Zeichen für sexuelllen Mißbrauch) festgestellt, so könne es automatisch an das Sexualzentrum überwiesen werden. Elisabeth Fey aus Bielefeld berichtete von einem „Projekt zur Prävention von Kindesmißbrauch“, das seit 1978 in den USA existiert und vom „Frauen–Notruf“ entwickelt wurde. Kinder würden an den Schulen über sexuellen Mißbrauch informiert; mit den Kindern würden dann konkrete Handlungsschritte (“Sag nein“ oder „geh und erzähle“) eingeübt. Zuvor würde mit Eltern und Lehrern gesprochen. Im Juli soll dieser Ansatz erstmals in der BRD diskutiert werden (Kontakt: Elisabeth Fey, Oberntorwall 14, 48OO Bielefeld). Ursel Sieber