Bricht Apartheid–Block in Südafrika auf?

■ Der Vorsitzende der geheimen und einflußreichen burischen Eliteorganisation „Bruderbund“, Pieter de Lange, macht sich für Verhandlungen mit allen Bevölkerungsteilen Südafrikas stark / Der ANC soll dabei jedoch nach wie vor ausgeschlossen bleiben

Berlin (wps/taz) - Der Vorsitzende des südafrikanischen „Bruderbundes“, der geheimen, aber einflußreichen Eliteorganisation der Buren, Pieter J. de Lange, unterstützte in einem jetzt bekannt gewordenen Interview von letzter Woche die Forderung, daß Verhandlungen mit allen Bevölkerungsteilen Südafrikas über die politische Zukunft des Landes aufgenommen werden sollen. Die in Südafrika verbotene Befreiungsbewegung ANC müsse jedoch von dem Angebot ausgeschlossen bleiben, „solange sie darauf besteht, daß ihr die Macht übergeben wird, und solange sie Gewalt anwendet, um dieses Ziel zu erreichen“. Zur Vermittlung des Dialogs zwischen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen bot Lange die Dienste seiner Organisation an, die, wie der Ku Klux Klan in den USA, bislang dazu diente, die Vorherrschaft der Buren in Südafrika aufrechtzuerhalten. Zur Überraschung vieler seiner Kollegen aus dem Geheimbund erklärte er: „Der Mangel an Vertrauen resultiert aus dem Mangel an wirklichen Kontaktmöglichkeiten. Um uns aber besser zu verstehen, müssen wir das Zusammenkommen fördern. Deshalb hoffe ich, daß ich die Unterstüt zung des „Bruderbundes“ bekomme. Der Vorteil davon wäre, daß unsere Organisation im ganzen Land verbreitet ist.“ Ob Langes Position in dem Geheimbund mehrheitsfähig ist, ist fraglich. Lange war allerdings bereits letztes Jahr mit führenden Vertretern des ANC in New York zusammengetroffen. Außerdem will er vor kurzem ein Treffen zwischen 30 burischen Studenten und 30 schwarzen Jungaktivisten aus Soweto organisiert haben. Darüber hinaus war Anfang Februar ein Geheimdokument des „Bruderbundes“ veröffentlicht worden, in dem das Einbeziehen der Schwarzen in den politischen Prozeß gefordert wurde, um das Überleben der Buren zu sichern. Ähnliches fordern auch die Abtrünnigen der regierenden Nationalen Partei (NP), die im Vorfeld der für den 6. Mai angesetzten Wahlen mit ihren Austritten Bothas Wahlkampfstrategien durchkreuzen. Daraus schließen politische Beobachter, daß der monolithische Block der Apartheidverfechter aufbricht. Die Unzufriedenheit mit Bothas schleppendem Reformkurs wächst auch unter dem aufgeschlosseneren Teil der Buren. In dem Interview beschreibt Lange den Transformationsprozeß im Burenlager. Nach seiner Analyse haben sich einige Buren schneller an die in den letzten Jahrzehnten stattfindende Verstädterung Südafrikas angepaßt als andere. Der rasche Übergang von der Pioniergesellschaft der burischen Farmer zur hochentwickelten Industriegesellschaft des modernen Südafrikas hat zur Herausbildung zweier unterschiedlicher politischer Anschauungen geführt. Die einen wollen die Sprache und Kultur ihrer etwas mehr als zwei Millionen Mitglieder zählenden Gemeinschaft „aggressiv beschützen“ und eine Vermischung mit anderen Elementen um jeden Preis verhindern. Die anderen sind der Ansicht, daß sich die Buren im modernen Südafrika einen ausreichend guten Platz erkämpft haben und nun voller Selbstbewußtsein andere an ihrer Kultur teilhaben lassen können. Der Konflikt zwischen diesen beiden Anschauungen soll nach Lange 1982 im „Bruderbund“ voll aufgebrochen sein. Nachdem sich die „Aufgeklärten“ durchgesetzt hatten, verließ ein Teil der „Verkrampften“ die Organisation. Zehn Prozent der Mitglieder wandte dem „Bruderbund“ den Rücken zu. Der Bruch führte zur Gründung der rechtsradikalen Konservativen Partei (CP). Auch diese Organisation gehört für Lange zu der politischen Mitte in Südafrikas Parteienlandschaft. Seine Intervention soll eine Machtübernahme der „Extremisten“, wie er den ANC nennt, verhindern. De Lange bestreitet einen Zusammenhang seiner Aussagen mit den Wahlen für weiße Südafrikaner. Dennoch geben seine Aussagen dem Wahlkampf der NP neuen Zündstoff. Denn der Bruderbund–Vorsitzende steht mit seinen Aussagen zur Notwendigkeit der Verhandlungen mit einem breiten Spektrum schwarzer Organisationen und seinem Wunsch nach einer neuen Allianz der gemäßigten Mitte eher den NP–Abtrünnigen nahe. Der offenkundige Aufruhr unter weißen Wählern könnte auch der außerparlamentarischen Opposition taktische Möglichkeiten bieten. Doch deren Einstellung zu den Wahlen bleibt weiter zweideutig. Dennoch beschuldigte Craig Williamson, südafrikanischer Superspion, der in den siebziger Jahren ANC–Kreise infiltriert hatte und nun als NP–Kandidat die Wahl bestreitet, am Montag den ANC, im Vorfeld der Wahlen Verwirrung unter weißen Wählern stiften zu wollen. Der ANC habe sich zwar gegen die Aufstellung eigener Kandidaten entschieden, da dies eine Beteiligung an rassistischen Wahlen bedeuten würde. Stattdessen solle die unter dem Kodenamen „Projekt Rosen“ bekannte Kampagne „symbolische Kandidaten“ aufstellen, um international für Öffentlichkeit zu sorgen und gleichzeitig „radikalen schwarzen Gruppen“ zu zeigen, daß auch Weiße ihren Kampf unterstützen. Tatsächlich ist die Aufstellung linker unabhängiger Wahlkandidaten in den vergangenen Wochen in weißen, außerparlamentarischen Oppositionskreisen diskutiert worden. Es wurde zwar gegen einen solchen Schritt entschieden, aber man will eine neue Allianz linksliberaler weißer Gruppen mit dem Namen „Forum der Fünf Freiheiten“ bilden. Die UDF, das größte interne Oppositionsbündnis, hat sich noch nicht eindeutig zu den Wahlen ausgesprochen. Offensichtlich macht man sich auch in diesen Kreisen Hoffnungen, daß eine Wahlstimme gegen die Regierung in der derzeitigen Verwirrung unter weißen Wählern zu einer beachtlichen Schwächung der NP– Regierung führen könnte. mf/hb