Namibias Reformballon gemischtrassiger Schulen zerplatzt

■ Zum Jahresbeginn sollten staatliche Schulen im ehemaligen Deutsch–Südwestafrika für alle Rassen und Hautfarben geöffnet werden, aber der Beschluß wird vom rechten Flügel der pretoriatreuen National Party torpediert

Von Günther Beyer

„Es ist sehr bedauerlich“, schrieb Südafrikas Ministerpräsident P.W. Botha dem Übergangskabinett in Windhuk zu dessen erstem Geburtstag im Sommer vergangenen Jahres, „daß es bislang nicht gelungen ist, die Basis der Regierung in der Bevölkerung zu verbreitern.“ Eine blamable Einsicht für Pretoria, das die handverlesene gemischtrassige Übergangsregierung im Juni 85 ohne irgendwelche vorhergehenden Wahlen eingesetzt hatte, um den Schein einer Unabhängigkeit Namibias von Südafrika zu erwecken. Von der Unterstützung durch die Bevölkerung so weit entfernt wie eh und je, ist das Kunstgebilde im Tintenpalast inzwischen aber auch in sich zerstritten, ob und wie die bestehende Apartheid reformiert werden soll. Die Spaltung der in Pretoria regierenden National Party, die in diesen Wochen offensichtlich wird, setzt sich in Namibia fort. Noch Ende letzten Jahres hatte das Kabinett einmütig, (d.h. mit der Stimme des Agrarministers von der National Party) beschlossen, zumindest die Apartheid im Erziehungswesen abzuschaffen, um seine innenpolitische Reputation aufzubessern und den Ruf als Handlanger Südafrikas loszuwerden. Verheißungsvoll verkündete der schwarze Erziehungsminister Andrew Matjila von der gemäßigten Demokratischen Turnhallenallianz, mit Beginn des Jahres 87 würden die staatlichen Schulen für Inder aller Rassen und Hautfarben geöffnet. Die Geste zeigte Wirkung. Die katholische Kirche beschloß als Vertrauensbeweis in die neue staatliche Politik, zwölf ihrer Missionsschulen der Regierung zu unterstellen. Zwar spielten bei der Entscheidung auch finanzielle Engpässe eine Rolle, doch immerhin hatte das Kabinett auch einen Achtungserfolg beim Namibischen Kirchenrat erzielt, der die Windhoeker Bildungspolitik bis dato scharf attackiert hatte. Doch schon bald ging dem Reformballon die Luft aus. Die Führung der Nationalen Partei, die nach eigenen Angaben die Mehrheit der 80.000 Weißen in Namibia vertritt, spielte nicht mit. Landwirtschaftsminister und NP– Mitglied Eben van Zijl, den Kabinettsbeschluß zur Öffnung der Schulen mitgetragen hatte, mußte schleunigst seinen Sessel räumen. Ersetzt wurde er von Jannie de Wet, einem erklärten Gegner gemischtrassiger Schulen. Die Durchsetzung der Reform wird jetzt recht wirkungsvoll von der Verwaltung gestoppt. Diese Erfahrung mußten als erste die Eltern der englischsprachigen Schule in Swakopmund erleben, die sich in geheimer Abstimmung dafür entschieden hatten, die bis dahin Weißen vorbehaltene Schule zu öffnen. Sie hatten nämlich gleichzeitig dafür votiert, daß die Schule weiterhin der Verwaltung für Weiße unterstellt bleibe und nicht dem Nationalen Erziehungsdepartment der Übergangsregierung unterstellt werden sollte. Die sich daraus ergebenden bürokratischen Hindernisse haben sie bis heute noch nicht überwunden. Die Südafrikaner verpaßten ihrer Kolonie nämlich einst eine Administration in drei Ebenen. Die erste Ebene ist für das ganze Land zuständig (mit Ausnahme der Ressorts Verteidigung und Außenpolitik, die sich Pretoria vorbehält), ausführendes Organ ist die Übergangsregierung in Windhuk. Die zweite Ebene setzt sich aus Regierungen für die zehn ethnischen Gruppen zusammen. Jede Gruppe hat ein separates Budget, das für Belange wie Gesundheit, Erziehung und Wohlfahrt verwendet wird. die dritte Ebene sind die Kommunen. Nun hat die auf der zweiten Ebene angesiedelte „Regierung für Weiße“ mit einem Trick dem Abbau ihrer Privilegien vorgesorgt: In ihren Richtlinien heißt es, Schulen, die der Regierung für Weiße unterstehen, müßten auch weißen Kindern vorbehalten bleiben. Die Richtlinie könnte natürlich geändert werden, doch daran denkt die National Party (die übrigens immer ihre Unabhängigkeit gegenüber der gleichnamigen Regierungspartei in Pretoria betont) nicht. Sie fühlt sich in der zweiten Ebene stark, da sie bei den letzten Wahlen der Weißen 11 von 18 Stimmbezirken gewann. Ergo werden von den Schulen der „Regierung für Weiße“ nur Kinder aufgenommen, die als Weiße registriert sind. Der geschaßte Minister Eben van Zijl, dem solche Denkart zu reaktionär ist, hat unterdessen eine neue Gruppierung namens „Action National Settlement“ gegründet. In deren Gründungserklärung heißt es: „Wir erkennen an, daß es in unserem Land eine Vielfalt von Kulturen gibt“, und dies sei eher eine Chance denn ein Nachteil. Gefordert wird freies Unternehmertum, Freiheit für Privatinitiative und Privateigentum und „Verhandlungen mit allen relevanten Personen und Parteien“, um das Namibia–Problem zu lösen.