Kurdische PKK trauert öffentlich um ihr totes Mitglied

■ Plakate mit Photos des am 7. März in München ermordeten PKK–Mitglieds Ahmet Aydin hängen an Berliner Häuserwänden / Eskalation der kurdischen Auseinandersetzungen?

Berlin (taz) - Neue Plakate sind an Häuserwänden im Berliner Bezirk Kreuzberg aufgetaucht. Sie zeigen das Gesicht eines jungen Mannes. Über dem Photo steht auf Kurdisch, darunter auf Türkisch, daß Ahmet Aydin am 7.3.87 in München von einer „Feindes– Bande aus einer Zusammenarbeit von faschistischen türkischen Kolonialisten und Imperialisten“ ermordet worden sei. „Die Erinnerung an ihn ist für unser ganzes Volk wegweisend“, heißt es am Schluß. Unterschrieben hat die ERNK, der bewaffnete Arm der marxistisch–leninistischen „Kurdischen Arbeiterpartei“ PKK. Während einer gewaltsamen Auseinandersetzung am 7. März in München starb das PKK–Mitglied Ahmet Aydin an einer Schußverletzung (siehe taz vom 12.3.). Ob es ein PKKler war, der aus Versehen einen Genossen erschoß, wie die Komkar, die Föderation der Kurdischen Arbeitervereine in der BRD, behauptet, oder ob es ein Komkar–Mitglied war, wie die PKK behauptet und die Staatsanwaltschaft in München mutmaßt, ist ungeklärt. Diese ließ erstmal elf Personen aus beiden Gruppen festnehmen, einer wurde inzwischen wieder freigelassen. Den Auseinandersetzungen in München waren laut Komkar eine ganze Reihe PKK– Angriffe auf Komkar–Mitglieder, Vereinslokale und Veranstaltungen vorausgegangen. Die Welle von Auseinandersetzungen ist nur eine Neuauflage. Nachdem im November 1985 der dritte Dissident der PKK ermordet worden war, hatten verschiedene linke kurdische und türkische Gruppen ein Protestflugblatt verfaßt und in Paris verteilt. Schlägertrupps der PKK waren auf die Flugblattverteiler losgegangen, es hatte sich eine heftige Auseinandersetzung entwickelt. Dabei war ein PKKler erstochen, vier weitere schwer verletzt worden. Bald darauf schmückten Plakate mit dem Photo des Ermordeten die Häuserwände, die PKK gab empörte Erklärungen heraus, in denen sie türkische und kurdische Gruppen als Feinde der Kurden und Mörder bezeichnete. Drei Tage nach dem Mord wurde - ebenfalls in Paris - ein Mitglied der türkischen Organisation Dev– Yol ermordet, eine Woche darauf wurde ein Mitglied der Organisation Kurtulus in Lausanne erschossen, Ende Februar schließlich wurde in Hamburg ein Mitglied von Devrimci Isci ermordet. Das war vor einem Jahr. Nun starb wieder ein PKKler, wieder hängen Plakate an den Häusern. Die Auseinandersetzungen zwischen der PKK und den anderen kurdischen und türkischen Gruppen resultieren aus einem Hauptkonflikt: Während die PKK, deren Generalsekretär Öcalan in Syrien sitzt, all ihre Aktionen auf den bewaffneten Kampf im türkischen Teil Kurdistans ausrichtet, setzen sich die meisten anderen linken Gruppen mit den Lebensbedingungen der Ausländer in der BRD auseinander und versuchen, eine eigene Identität auch in der Emigration zu finden. Die autoritäre, stark militarisierte PKK hatte in den letzten Jahren immer mehr Anhänger verloren und versucht, diesem Mitgliederschwund durch stärkeren Druck auf die Militanten bis hin zum Mord zu begegnen. Daß diese Mittel nicht unbedingt zum Erfolg führen, war bereits bei der 1. PKK–Konferenz 1981 erkannt worden. Im Politik–Rapport des ZK heißt es da: „Gegen Agentenbewegungen, die sowohl im Inneren als auch im Äußeren entstanden sind, muß man sehr vorsichtig sein. Auch in dieser Frage können einige Tollwütige und Unverbesserliche von ihnen vernichtet werden, aber dies kann nicht zu einer ständig angewandten Methode gemacht werden.“ Wie sich der im Oktober abgehaltene 3. Parteikongreß zu dem Thema geäußert hat, war noch nicht zu erfahren. LR