Gonzalez fühlt sich von Streiks bedrängt

■ Ärzte, Eisenbahner, Studenten und Arbeiter im Ausstand / Gonzalez appelliert an Gewerkschaften und sieht die Streiks als Maschinenstürmerei / Generalstreik wurde von der kommunistischen Gewerkschaft mit nur einer Stimme Mehrheit abgelehnt

Berlin (taz) - „Die Verantwortlichen haben alles Recht, Mobilisierungen und Demonstrationen zu organisieren, jedoch müssen sie gleichzeitig aufpassen, daß keine Exzesse passieren, die die Legalität verletzen“, erklärte Anfang der Woche der spanische Regierungschef Felipe Gonzalez. Grund für seine an die Gewerkschaften gerichtete Gardinenpredigt waren die Auseinandersetzungen in dem kantabrischen Städtchen Reinosa. Am 12. März hatten dort Metallarbeiter gegen die geplante Wegrationalisierung eines Großteils ihrer Arbeitsplätze protestiert. Dabei hatten sie ein Leitungsmitglied des Stahlbetriebs von Reinosa gekidnappt, der daraufhin von der Guardia Civil freigeprügelt wurde. Darauf kam es zu Straßenschlachten zwischen Arbeitern und der Guardia Civil. Daß sich die Gewerkschaften von dem Vorgehen der Arbeiter nicht distanzierten, beunruhigt Gonzalez. Die Auseinandersetzungen in Reinosa waren nämlich nur ein vorläufiger Höhepunkt der derzeitigen Protestwelle . Am 15. März protestierten fast 100.000 vor dem US–Stützpunkt Torrejon gegen die US–Militärpräsenz in den USA. Am 16. März begann ein Streik des medizinischen Personals gegen schlechte Löhne und die schlechte Ausstattung der Krankenhäuser. Am 18. März schließlich streikte stundenweise das Zugpersonal für Lohnerhöhungen und bessere Arbeitsbedingungen. Ein Vorschlag zur Abhaltung eines Generalstreiks gegen die Wirtschaftspolitik der sozialistischen Regierung wurde am vergangenen Dienstag von der kommunistischen Gewerkschaft „Comissiones Obreras“ mit nur einer Stimme Mehrheit abgelehnt. Statt dessen soll am 30. April nun ein Tag der Mobilisierungen stattfinden. Die Studenten, deren Proteste das politische Klima in Aufruhr gebracht hatten, wollen in der letzten Märzwoche einen neuen Generalstreik abhalten. Es ist das erste Mal in seiner nunmehr fast fünfjährigen Amtszeit, daß Gonzalez ein geballter Protest aus so vielen verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen entgegentritt. Beunruhigend ist für ihn dabei, daß er sich viele sei ner Stammwähler vergrault hat. Und die bilaterale Kommission aus der sozialistischen Gewerkschaft UGT und der sozialistischen Partei, ein wichtiges Bindeglied zwischen Regierung und Ge werkschaften - soll nach Auffassung des UGT–Generalsekretärs Nicolas Redondo aufgelöst werden, da die Gegensätze in den Standpunkten nicht aufzulösen seien. Gonzalez, der sich in seinen Modernisierungsbestrebungen mißverstanden fühlt und die Streiks als Maschinenstürmerei ansieht, will nun eine Kampagne zur Erläuterung der Regierungspolitik starten. -ant