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Die „archaische“ Streik–Keule in Tarif–Auseinandersetzungen

■ Arbeitgeberfunktionär will den Arbeitskampf faktisch abschaffen / Industriegewerkschaft Metall: „Friedensabkommen“ unnötig / Warnstreiks gehen weiter

Von Martin Kempe

Berlin (taz) - Während die Warnstreikwelle der Industriegewerkschaft Metall am Mittwoch wieder besser in Schwung kam, forderte der Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall, Dieter Kirchner, während einer Tagung des DGB in Ludwigshafen zum Arbeitskampfrecht faktisch die Abschaffung des Streiks bei Tarifauseinandersetzungen. Rund 26.000 Metaller legten nach Angaben der IG Metall mit Schwerpunkt in Nordrhein– Westfalen für kurze Zeit die Arbeit nieder, um die Forderung nach der 35–Stunden–Woche zu unterstützen. Im ansonsten traditionell kampfstarken Bezirk Baden–Württemberg hatte die Warnstreikwelle Anfang der Woche nur zaghaft geplätschert. Die am Mittwoch in Düsseldorf angesetzten Verhandlungen wurden ohne Annäherung vertagt. Auf der DGB–Konferenz zu „Streikrecht, Demokratie und Sozialstaat“ kündigte Arbeitgeberfunktionär Kirchner an, seine Seite werde auf neue oder ausgeweitete Arbeitskämpfe der IG Metall mit gleicher Münze antworten. Die Änderung des Paragraphen 116 Arbeitsförderungsgesetz habe den Gewerkschaften gezeigt, „daß es Grenzen gibt, deren Überschreitung der Gesetzgeber nicht mehr hinnehmen kann“. Kirchner meinte, man müsse intelligentere Druckmittel entwickeln als die „archaische Keule des Arbeitskampfes“. Er schlug ein „Friedensabkommen“ zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften vor, in dem sich beide für die Dauer des Abkommens verpflichten, „nicht nur alle Kampfhandlungen zu unterlassen, sondern dem Grundsatz unterwerfen, daß zumutbare Forderungen beiderseitig erfüllt werden sollten“. Im einzelnen schlug er vor: - Verzicht beider Parteien auf jede Form des Arbeitskampfes aus Anlaß von Tarifstreitigkeiten; - Verpflichtung, zumutbare Forderungen zu erfüllen und umgekehrt unzumutbare Forderungen zu unterlasen; - Vereinbarung eines Schlichtungsverfahrens für den Fall der Nichteinigung; - wenn eine regionale Schlichtung scheitert: Verhandlungen auf zentraler Ebene; - scheitert auch dies: Schlichtungsverhandlungen auf Bundesebene. Erst wenn als dies nicht zur Einigung geführt hat, sollen die Tarifparteien das Schlichtungsabkommen (mit Kündigungsfrist) kündigen und nach Ablauf des Abkommens zum Mittel des Arbeitskampfes greifen können. IG–Metall–Sprecher Barczynski lehnte den Vorschlag Kirchners inzwischen ab.

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