Q U E R S P A L T E Sanft entschlummert

■ Phrasen aus der Regierungsdebatte überfluten die Medien

Regiert zu werden ist selten eine unterhaltsame Angelegenheit. Es verpflichtet aber ungemein - wenn schon nicht zu dauernden Begeisterungsstürmen für „die da oben“, so doch zu permanenter Wertschätzung. Egal wie belanglos, langweilig und nervtötend die Bundestagsdebatte über die Regierungserklärung ist - den bundesdeutschen Medienkonsumenten wird sie als das Ereignis der Woche präsentiert: in Bonn, um Bonn, und an Bonn vorbei. Pluralismus in der Medienlandschaft ist, wenn während der zweieinhalbstündigen Kohl–Rede nicht auszumachen ist, wer nun schneller wegdöst, sanfter entschlummert oder lauter röchelt - die Redakteure der FAZ oder der taz -, am nächsten Tag aber den LeserInnen beider Zeitungen die nicht einmal in ihrer Drögheit originelle Botschaft auf der ersten Seite, oben, wie es obener nicht geht, präsentiert wird. Dabei lohnt die aktuelle Debatte auch nicht das berühmte Lesen zwischen den Zeilen: selbst da ist es nur leer. Die Opposition mag die fehlende Inspirationskraft des Kanzlers zu recht beklagen. Bisher hat sie sich allerdings aufs Äußerste zurückgehalten, dem etwas entgegenzusetzen. Was an sich ja nicht so schlimm wäre, wenn man sich darauf verständigen könnte, daß der Bundestag erst dann wieder öffentlich zur Kenntnis genommen wird, wenn dort neue Ideen aufflackern oder alte in Taten umgesetzt werden. Wenn die Geschehnisse im Bundestag schon die Medien überfluten sollen, dann bitte mit Substanz. Solange können wir uns mit den spannenderen und unterhaltsameren Themen des Lebens beschäftigen: dem Wetter zum Beispiel... Oliver Tolmein