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SPD–Kritik an Brandts Führungsstil hält an

■ Im Streit um die Berufung von Margarita Mathiopoulos als SPD–Sprecherin stellen sich Rau und Vogel vor Brandt / Schwere Kritik am SPD–Vorsitzenden in nordrhein–westfälischer SPD / Annemarie Renger empfiehlt Rücktritt von Frau Mathiopoulos von ihrer Kandidatur

Aus Bonn Ursel Sieber

In den Chor der Kritiker/innen der Entscheidung des SPD–Präsidiums, die (noch) parteilose Margarita Mathiopoulos zur neuen Vorstandssprecherin zu berufen, hat gestern weitere Kritiker auf den Plan gerufen. Die Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen, Wettig–Danielmeier, sagte, sie sei nicht glücklich darüber, daß Frauen, die sich innerhalb der Partei engagiert hätten, bei dieser Wahl nicht zum Zuge gekommen seien. Nach Meinung von Annemarie Renger sollte Frau Mathiopoulos von ihrer Kandidatur zurücktreten. Die frisch gekürte SPD–Sprecherin will auf ihr Amt trotz harter innerparteilicher Kritik nicht verzichten. Führende Sozialdemokraten, darunter Vogel und Rau, stellten sich gestern schützend vor Brandts Entscheidung für Frau Mathiopoulos. Die nordrhein–westfälische SPD ist dagegen über die Berufung der griechischen Staatsbürgerin „entsetzt“. „Nicht eine positive Stimme“ sei unter den zahlreichen Anrufern in der Düsseldorfer Partei– und Fraktionszentrale gewesen, hieß es. Am weitesten hat sich der mächtige westfälische Bezirksvorsitzende und NRW– Arbeitsminister Heinemann her vorgewagt. Gegenüber der Bild– Zeitung forderte er offen Brandts Ablösung: „Ich bin entschieden dafür, daß die Frage der Nachfolge von Willy Brandt schnell, das heißt in den nächsten Wochen entschieden werden muß.“ Anke Fuchs sprach sich für eine Sondersitzung des Präsidiums noch vor Montag aus. Als „wohlüberlegt und richtig“ verteidigten gestern dagegen Glotz und Klose in einer gemeinsamen Erklärung die Berufung der neuen Sprecherin. Eine Auseinandersetzung mit der Regierungserklärung Kohls sei wichtiger, als „ein Express–Interview“ zu geben. Gemeint ist Wischnewski, der die Auswahl der Pressesprecherin als „zweite große Panne“ in kürzester Zeit bezeichnet hatte und dabei die Führungsqualitäten Brandts angezweifelt hat. Die SPD–Abgeordnete Simonis hatte erklärt, sie halte es für richtig, daß Brandt den Zeitpunkt seines Rücktritts selbst bestimmt habe. Wenn er jedoch solche Fehler mache, entstehe der Eindruck, „er sei nicht mehr Herr des Verfahrens“. Aus der SPD–Bundestagsfraktion werden in letzter Zeit Stimmen laut, die sagen, Brandt sei sehr alt geworden und hätte deshalb längst abtreten müssen. Am kommenden Montag wird sich der Parteivorstand endgültig mit der Berufung von Mathiopoulos befassen. Aus dem Ollenhauer–Haus war zu vernehmen, es werde mit großer Wahrscheinlichkeit bei dieser Entscheidung bleiben. Die Frage der neuen Vorstandssprecherin sei inzwischen so „überdimensioniert“, daß sie eindeutig für Mathiopoulos entschieden werde. Dafür spricht, daß bei der Sitzung des Präsidiums Vogel und Rau der Entscheidung von Brandt zugestimmt hätten.

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