Serie Das Auto im Jahr 101
: Nicht nur in Devisen spekuliert

■ VW als Unternehmens–An– und -Verkaufsladen / Im Inland Marktanteile gewonnen, in den USA verloren / US–Werk mit halber Kraft

Das Auto im Jahre 101 - das heißt Jahresumsatzzahlen eines einzelnen Konzerns dieser Branche in Größenordnungen um die 150 Milliarden DM. Gegenüber dieser Spitzenmarge des US–amerikanischen Supermultis General Motors nehmen sich die 53 Milliarden DM, auf die es der Volkswagenkonzern gerade mal bringt, etwas bescheiden aus. Immerhin macht das auch ein gutes Fünftel des Betrages aus, mit dem die Bundesregierung ein Jahr Politik machen darf. Das Jahr 101 des Automobils ist für den Wolfsburger Symbolkonzern des Nachkriegswirtschaftswunders auch ein Jahr in der Ära des Fusionsfiebers, da man Großunternehmen an– und verkauft, wie es andere Menschen mit ihren fahrbaren Untersätzen selbst treiben: Da steigt man Anfang der 80er Jahre in das Büromaschinen–Unternehmen Triumph–Adler ein und verhökert es fünf Jahre später an den italienischen Olivetti–Konzern. Lapidar gesteht VW–Einkaufschef Horst Münzer in einem Wirtschaftswochen–Interview ein, daß dieser zum Flop geratene Ausflug in die fremde Branche mal eben 1,5 Milliarden DM gekostet hat - was ja vergleichsweise geräuschlos verlief, wenn man an die jetzt „nur“ vergeigten 480 Millionen DM denkt. Aber was solls, der nächste 1,5–Milliarden–DM–Coup ist bereits vollzogen. Für diese Summe soll der spanische Seat–Konzern sukzessive vollständig übernommen werden, die Hälfte ist bereits geschluckt. Investieren will man dann nochmal rund fünf Milliarden DM in dem iberischen Ableger, bei dem zur Zeit gut 20.000 Arbeiter beschäftigt sind. Der Tausch Triumph–Adler gegen Seat ist für VW–Manager Münzer auch darin begründet, daß man zu dem Ergebnis gekommen ist, sich lediglich als Automobilkonzern zu begreifen, der Bürokommunikation eben anwendet, nicht aber produziert. Dabei war das so wenig triumphale Triumph–Engagement noch vergleichsweise branchennah, wenn man an andere Abenteuer des Multi–Konzerns denkt. In Brasilien hat die dortige Dependace sich eine Rinderfarm zugelegt, die sich flächenmäßig mit dem Saarland messen kann. Im unberührten Regenwald, rund 2.000 Kilometer vom Firmensitz Sao Paolo entfernt, hatte man die Motorsäge sprechen lassen, ein glattes ökologisches Kapitalverbrechen. Zehntausende Hektar wurden gerodet, um 200 Wasserteiche und 175 Kilometer Straße anzulegen, zwischen denen nunmehr 44.000 Rinder in VW–Diensten grasen. Durchtechnisiert, wie die Rinderfarm eines Automultis nun mal organisiert ist, kostete das schlachtreife Rind indes um die 300 US– Dollar, was weit über dem von Amts wegen eingefrorenen Rinderpreis lag. Auch das Südamerika– Abenteuer war ein Flop, das Anwesen wird verkauft. Bei Volkswagen ist fürwahr nicht nur die Devisenabteilung von Spekulatonsfreude geplagt. Aber kein Zweifel, noch ist die Automobilproduktion das Standbein. Weltweit, von China bis Mexiko, von Westmoreland/USA bis zum Seat–Werk Pamplona in Spanien produzierten im vergangenen Jahr 280.000 Beschäftigte 2,8 Millionen Automobile. Diverse Montagewerke in Entwicklungsländern, in denen importierte Teile zusammengefügt werden, sind Bedingung dafür, überhaupt auf ihren Märkten auftreten zu können. Die Quote von zehn Automobilen im Jahr pro Beschäftigten wird von anderen Herstellern weit übertroffen. Jeder Fordianer z.B. spuckt fast 17 Autos pro Jahr aus. Entsprechend darf sich Ford im Gesamtzeitraum 1981 bis 85 in einem Gesamtgewinn von über einer Milliarde Dollar baden, während der Pegelstand bei VW aufgrund zwischenzeitlicher Verluste lediglich zweistellige Dollarmillionen aufweist. Die Beschäftigtenzahl geht bei der Muttergesellschaft im Inland beileibe nicht nach unten, obwohl VW die vielzitierte „Halle 54“ sein eigen nennt, in der pro Tag 3.300 Golf nahezu vollautomatisch vom Band laufen. In den letzten zwei Jahren kamen 15.000 Arbeitsplätze dazu. Dies liegt vor allem daran, daß es Volkswagen geschafft hat, verlorenes Terrain auf dem heimischen Automarkt zurückzugewinnen. Von den 2,7 Millionen Pkw, die im vergangenen Jahr in der BRD an den Käufer gebracht wurden, kamen 840.000 aus den Audi– oder VW–Werken. Dies war eine Steigerung gegenüber dem Vorjahr um 15 Prozent. In schönster Käfertradition konnte jedem siebten Käufer hierzulande ein Golf verpaßt werden. So half all dies, auch den kränkelnden Produktionsstandort in demjenigen Automobilmarkt über die Runden zu bringen, der sich jetzt als so brisant herausgestellt hat: Während man in den USA vom Vorgängermodell Käfer in seinen besten Zeiten noch eine halbe Million pro Jahr losschlagen konnte, bringt es der Golf nach Auskunft der VW–Pressestelle zur Zeit gerade noch auf 80.000, die Japaner sind in der Zwischenzeit auf dem US– Markt für einigermaßen handliche Vierräder übermächtig geworden. Das bedeutet für VW glatt die Hälfte der Kapazitäten, auf die das Werk in Westmoreland bei Pittsburgh ausgelegt ist. Beim Golf ist dies insbesondere deshalb unglücklich, weil er speziell für die vollautomatische Produktion in hohen Stückzahlen ausgerichtet ist. Der Flitzer ist zwischen Ost– und Westküste einfach nicht attraktiv genug. Auch die Eindeutschung des Namens (“Rabbit“ ist passe, er heißt jetzt auch dort „Golf“) hat da nichts geholfen. Zwar kann der Konzern insgesamt etwa 200.000 Pkw in den USA verkaufen. Aber das bedeutet, daß 120.000 Einheiten aus dem Hartwährungseuropa ins Reich des weichen Dollar hinüberverschifft werden müssen. Der Export in die USA ist dabei natürlich nicht die einzige Quelle für Dollareinnahmen. Carl Hahn nannte kürzlich den Anteil von zehn Prozent des Umsatzes, der vom Verkauf in den Dollarraum bestritten wird. Und wenn man da nicht aufpaßt, passieren die tollsten Dinge.