Wie kommt der Tod in die Aquarien?

■ Mysteriöses Zierfische–Sterben im Ruhrgebiet hält an / „Alles, was son bißchen empfindlicher ist, macht den Adler“ / Wasserversorgungsunternehmen und Umweltministerium fischen im Trüben / Keine Hilfe durch Atrazin–Verbot

Aus Bochum Corinna Kawaters

Olaf Kuschmierz, Zierfischzüchter und -händler, hat im Augenblick wenig Freude an seinen Fischen. Allzuoft kommt er morgens in seinen kleinen Laden an der Bochumer Velsstraße und findet tote oder verendende Diskusfische, Neons oder Fadenfische in den Becken. „Und dies immer nach einem Wasserwechsel aus der Trinkwasserleitung“, sagt der junge Mann besorgt und zeigt eine Plastiktüte mit den eingefrorenen sterblichen Resten einer Gruppe Diskusfische. Über tote Zierfische klagen seit November Dutzende von Aquarienfreunden zwischen Recklinghausen und Witten. „Viele Kunden hören auf mit ihrem Hobby“, weiß Olaf Kuschmierz, denn der Ursache für das teure Sterben ist bisher nicht auf den Grund zu kommen. Tagelang geisterte zunächst die These durch die Lokalpresse, daß vergiftete Filterwatte in den Umwälzpumpen der Aquarien die Tiere killt. Diese Erkenntnis brachte Professor Boheim, Zellphysiologe der Ruhr–Uni, in die Diskussion ein. Aber Händler Kuschmierz verwendet Kohlefilter und keine Watte für seine Becken und hatte trotzdem diese „Ausfälle“. Dann gab der Wasserversorger Gelsenwasser AG, der von besorgten Aquarianern zunächst als Übeltäter verdächtigt wurde, die Losung aus, Kupfer, das sich aus den Leitungsrohren in den Häusern ablöse, sei der tödliche Schadstoff. Gegen diese These aber spricht eine Liste von Geschädigten, in deren Häusern sich Eisen– oder PVC–Leitungen befinden. Weder Medikamente noch genaue Kontrolle auf PH–Wertigkeit, Ammoniak–, Nitrit– und Nitratgehalt können das Fischsterben aufhalten. Betroffen sind allerdings nicht die robusteren Sorten, sondern „alles, was son bißchen empfindlicher ist, macht den Adler“, stellt der Hobby–Züchter Hans–Jörg Möller fest. Sein Rezept, nachdem ihm von sieben großen (pro Stück um 200 Mark teuren) Fischen vier eingegangensind: Wasser aus der Leitung von Bekannten in Velbert, das er jetzt umständlich in Kanistern für sein 380 Liter–Becken heranschafft. Jürgen Haase, Grüner aus Gelsenkirchen, macht sich zwar auch Sorgen um seine Wassertiere, aber mehr noch um seine kleine Tochter: „Wenn die Fische sterben, sind wir wohl auch bald dran“. Doch diese Überlegung hört man weder bei Gelsenwasser gern - Pressesprecher Isford nennt es „unverantwortlich, wenn die taz sowas behauptet“ - noch beim Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales. Dr. Bussmann, zuständig für Trinkwasser: „Da wollen wir doch mal auf dem Boden der Tatsachen bleiben, die Gebote der Trinkwasserverordnung werden eingehalten.“ Dennoch räumt er ein, daß ein genauer und umfassender Nachweis der di versen Schadstoffe im Wasser „technisch–analytisch noch nicht machbar ist.“ Das bestätigt Detlef Gerdta, Hydro–Geologe beim BUND– Umweltforschungsinstitut in Ra tingen. „In der BRD sind etwa 320 Pestizidwirkstoffe zugelassen, davon sind 200 als Umweltgifte analytisch überhaupt nicht nachweisbar.“ Vor allem dann nicht, wenn die Wasserversorgungsunternehmen gar keine Analysemöglichkeiten haben. So kann die Gelsenwasser AG erst seit November 86 Reste des Herbizids Atrazin aufspüren. Atrazin aus dem Maisanbaugebiet rund um den Halterner Stausee war Anfang dieses Winters in so hoher Konzentration im Trinkwasser aufgetaucht, daß in zwei Duisburger Stadtteilen das Wasser gesperrt werden mußte. Vor einigen Tagen hat sich denn auch Minister Klaus Matthiesen dazu durchgerungen, ein Anwendungsverbot für Atrazin im Bereich des Stausees auszusprechen. Dabei ist Atrazin unter den Umweltgiften „so gut wie das unschädlichste“, sagt Dr. Bussmann vom Arbeitsministerium. Außerdem ist es „nicht fischgiftig“, wie Dr. Harald Ungemach, Experte bei der Landesanstalt für Fischerei, NRW, zu bedenken gibt. In seiner Dienststelle versucht man, dem Problem jetzt systematisch zu begegnen: Ein Fragebogen wurde entworfen, der über den Verein der Aquarienfreunde in Nordrhein–Westfalen an sämtliche Mitglieder verschickt werden soll. Darin wird nach der verendeten Fischart, Krankheitssymptomen und Haltungsbedingungen gefragt. Man hofft bei den verschiedenen offiziellen Stellen, den Fischhaltern einen Fehler nachweisen zu können - vielleicht, daß die Fische von unbekannten Parasiten befallen wären, falsch gehalten würden, oder „einfach degeneriert sind“.