Abschiebung war illegal

■ OVG Lüneburg: Bundesgrenzschutz handelte im Sommer 86 gegen Asylrecht Das Urteil kann Auswirkungen auf Verfahren gegen Zimmermann haben

Aus Hannover Axel Kintzinger

Die massenhaften Abschiebungen, die der Bundesgrenzschutz (BGS) im vergangenen Sommer vornehmlich an libanesischen Flüchtlingen vorgenommen hat, waren rechtswidrig. Der 11. Senat des Oberverwaltungsgerichtes (OVG) Lüneburg hat auf Antrag zweier Libanesen ein dementsprechendes Grundsatzurteil verfaßt. 1986 waren bis August insgesamt 449 Flüchtlinge in ihr Heimatland „zurückgeschoben“ worden. Die Asylsuchenden wurden an der deutsch– deutschen Grenze nicht den Ausländerbehörden zugeführt, sondern vom BGS aus den Zügen entführt und zum Teil mit Handschellen zum Frankfurter Flughafen gekarrt. Dort wurden sie dann in die nächste Maschine nach Beirut gesteckt. Massive juristische Interventionen sorgten dafür, daß diese Praxis im September vorerst eingestellt wurde. Nach Ansicht des Lüneburger Gerichtes hat der BGS damit seine Kompetenzen überschritten: „Ob die genannten (Asyl–)Gründe inhaltlich geeignet sind, ihm (dem Antragsteller) Asyl zu gewähren, hatte die Antragsgegnerin (BRD) nicht zu entscheiden.“ Asylsuchende, die nach ihrer Abschiebung wiederum aus dem Libanon flohen, berichteten der Presse bei ihrer Rückkehr in die BRD von Folterungen und Entführungen. Eine besondere Brisanz bekommt das Grundsatzurteil vor dem Hintergrund eines Ermittlungsverfahrens gegen Bundesinnenminister Friedrich Zimmermann (CSU), das nach der Strafanzeige eines libanesischen Flüchtlings vom 10. Dezember 86 von der Bonner Staatsanwaltschaft eingeleitet wurde. „Das Lüneburger Urteil kann Einfluß auf dieses Verfahren haben“, befand ein Sprecher der Bonner Staatsanwaltschaft gegenüber der taz. Nachdem im Herbst eine erste Klage gegen Zimmermann als dem obersten Dienstherrn des BGS eingereicht worden war, war der zuständige Ministerialrat in Bonn versetzt worden. (AZ 11 B 911/86 und 11 B 782/86)