Wallmann ließ Gift in Main kippen

■ Der Bundesumweltminister trug in seiner Zeit als Frankfurter OB die politische Verantwortung für die unsachgemäße Entsorgung von Klärschlämmen und Abwässern / Die Staatsanwaltschaft ermittelt seit 1985

Von Klaus–Peter Klingelschmitt

Frankfurt (taz) - Bundesumweltminister Walter Wallmann (CDU) war als Oberbürgermeister der Stadt Frankfurt politisch dafür verantwortlich, daß in den Jahren 1980 bis 83 mehrere Millionen Kubikmeter ungereinigte Abwässer und Klärschlämme in den Main eingeleitet wurden. Das jedenfalls geht aus Unterlagen hervor, die der taz am vergangenen Wochenende zugespielt wurden. Danach hat die Stadt Frankfurt in dem genannten Zeitraum ihre eigenen Abwässer und die kommunaler Vertragspartner aus dem Frankfurter Umland - insgesamt rund 510 Millionen Kubikmeter - in die städtische Kläranlage Niederrad verbracht, obgleich die Niederräder Anlage nur zur Reinigung der stadteigenen Abwassermengen in der Lage war. Der Rest wurde ungeklärt in den Main eingeleitet. Das Stadtentwässerungsamt hatte den zuständigen Stadtrat Haverkampf bereits in einem Schreiben vom 28.2.1980 auf die gravierenden Mißstände in der Abwasserbeseitigung aufmerksam gemacht. Darüber hinaus stellten die Betreiber der Kläranlage fest, daß nur rund 43 anfallenden Klärschlämme ordnungsgemäß behandelt werden könnten, so daß täglich eine Schlammenge von 7.205 Kubik metern in den Main eingeleitet worden wären. Im Rahmen einer im März 1980 durchgeführten Betriebsprüfung stellte der dafür zuständige Regierungspräsident in Darmstadt denn auch unmißverständlich fest, daß die allgemein anerkannten Regeln der Abwassertechnik in Frankfurt „nicht eingehalten“ würden: „Die Anlage ist in bezug auf die Wassermengen und die Schmutzfracht sehr stark überlastet. Der anfallende Schlamm wird zum Teil wieder in den Main geleitet, da die Faulraumkapazität nicht ausreicht.“ Dennoch schloß die Stadt - in der Ära Wallmann - weiter Abnahmeverträge mit Umliegerge meinden ab, die die Stillegung funktionstüchtiger Kläranlagen in diesen Gemeinden zur Folge hatten. Die Verträge mit der Gemeinde Steinbach, dem Abwasserverband Westerbach (ca. 30 Gemeinden), der Stadt Neu–Isenburg und dem Abwasserverband Vordertaunus tragen alle die Unterschriften des damaligen Oberbürgermeisters Walter Wallmann und des Stadtrates Haverkampf. Seit 1985 ermittelt die Frankfurter Staatsanwaltschaft gegen leitende Beamte der Stadt Frankfurt wegen des Verdachts der „mangelhaften Abwasserreinigung und der unberechtigten Inrechnungsstellung von Reinigungskosten gegenüber den Städten, Gemeinden und Verbänden, die an die Abwasserreinigung der Stadt Frankfurt angeschlossen sind“. Der im Zuge eines eingeleiteten Verfahrens bereits zur Zahlung einer Geldbuße verurteilte Leiter des Entwässerungsamtes soll inzwischen gegenüber der Staatsanwaltschaft erklärt haben, daß er „von der politischen Ebene“ unter Druck gesetzt worden sei. Oberstaatsanwalt Schroers erklärte auf Nachfrage der taz, daß die Ermittlungen auch auf das benachbarte Ausland ausgedehnt worden seien. Über die Hintergründe dieses außergewöhnlichen Schritts mochte sich Schroers nicht äußern.