Ein Mann, der die Frauen liebt

■ Willy Brandt gehört zu den letzten Politikern, denen es gelingt, Emotionen zu wecken Selbst abgeklärte Journalistinnen geraten über den Menschen Brandt ins Schwärmen

Irgendwas ist komisch. Irgendwas ist anders. Irgendwie hat er es doch mit den Frauen. Es gibt Männer, die muß frau einfach liebhaben. So einer ist er. Einer, den man sich unter guten Umständen sogar über Jahre mit einer anderen Frau teilen mag. Oder mit der Politik. Seine schlechten Seiten kriegen wir ja nicht mit. Er ist einer, von dem ich sagen würde: Auch er liebt die Frauen. Die meisten Männer hassen Frauen - lehnen sie ab, haben Angst vor ihnen, fühlen sich bedroht. Er nicht. Die Frauen, mit denen er zu tun hat, sind selbst starke Persönlichkeiten. Und starke Frauen können nur von selbstbewußten, liebesfähigen Männern geliebt werden. Was heißt das nun für die SPD, wenn Willy Brandt, der Mann, der die Frauen liebt, ein feministisches Werk vollbringt und genau deswegen dann seinen Hut nehmen muß. Im Grunde genommen hat er die Quotierung auf die Spitze getrieben. Er hat seine Macht benutzt, um einer Frau zu nützen. Das war antiautoritär und alternativ. Mit seinem Rücktritt jedenfalls beweist er, daß die SPD nicht die Frauen liebt, daß die SPD auch nicht alternativ, antiautoritär und erst recht nicht für Quotierung ist. Das wird sich sicher auf die Wählerinnen auswirken. Willy Brandt aber hat jetzt Zeit für die Frauen. Jetzt müssen wir ihn nur noch unter uns teilen. Maria Neef–Uthoff Dagegen die Grünen: Der Anlaß für Brandts Rücktritt ist vordergründig. Brandt ist letztlich daran gescheitert, daß er die großen Hoffnungen enttäuschte, die fälschlicherweise zu Beginn der 70er Jahre auf ihn gerichtet wurden - als Kanzler einer Regierung, die u.a. Berufsverbote und Terrorgesetze einführte ebenso wie als Vorsitzender einer Partei, die die Nachrüstung konzipierte, den Ausbau des Atomstaates vorantrieb und die Frage der Quotierung für Frauen ins Jahr 2000 vertagt.