: „Wenn die Nacht den Tag umarmt“
■ Gudula Lorez, die den erotischen Phantasien und Träumen von Frauen in geheimnisvoll schillernden Büchern Raum gab, ist tot / Sie starb im Alter von 43 Jahren an Krebs / In New York trauert Renee Zucker
Ein merkwürdiges Zusammentreffen: Die Stadt, von der mir Gudula immer wieder erzählt hat, die sie immer gerne als zweite Heimat bezeichnete, diese Stadt ist es, in der ich die Nachricht von ihrem Tod erfahre. Wie schreibt man, sich an eine nicht ganz unkomplizierte Freundschaft erinnernd, einen Nachruf über eine Freundin, die als „feministische“ Verlegerin galt und Bücher herausgab, die aussahen wie Pralinenschachteln? Bücher, die man wahrscheinlich nicht als „große“ Literatur bezeichnen möchte, die aber jedesmal wieder mit dem gleichen Engagement, der gleichen Aufregung und der gleichen Liebe bearbeitet wurden, wie es wohl nur ein „Ein–Frau“–Betrieb sich leisten kann. Gleich ihr erstes Buch wurde ein mittlerweile nicht mehr nur Szenen–Hit: „Wenn die Nacht den Tag umarmt“ war das Resultat eines Aufrufs an „wilde, zornige, freche, sanfte“ Frauen, ihre Träume und Phantasien aufzuschreiben, auf daß ein Buch entstehe. Von Frauen für Frauen, die sich erotisch amüsieren und animieren lassen wollten. Mit dem Erfolg kann sie nicht gerechnet haben. Sie war damit nur, konsequent und dickköpfig wie häufig, einer Idee gefolgt, die ihr lustvoll und machbar erschien. Der große Erfolg dieser Anthologie (die es mittlerweile auch als Taschenbuch gibt, wie wohl auch bald andere Bücher aus ihrem Verlag), ließ sie in diesem Genre weitermachen. „Hautfunkeln“, ein Band mit erotischen Geschichten und „Sandgeflüster“, eine Sammlung von Reisegeschehnissen, Geschichten über Frauenfreundschaften, Eifersüchte - Themen, die die moderne Frau interessieren könnten ... Gudula Lorez ist 43 Jahre alt geworden. Sie hätte noch andere Bücher verlegen können, die sicher wieder von Frauen geschrieben worden wären, denn auch da blieb sie konsequent - Männer hätten genug Publikationsmöglichkeiten, warum wollten ausgerechnet die in ihrem Verlag veröffentlichen, sagte sie eindeutigen Anbietern. Was Gudula Lorez nach jahrelanger Sekretärinnenarbeit geglückt ist, blieb für viele Frauen ein schöner Traum: Mit dem, was man selbst mag, nicht nur andere erfreuen, sondern auch noch unabhängig davon leben zu können. Unter Kollegen galt sie als ernstzunehmende Unternehmerin, Autorinnen schätzten ihre Loyalität und Bewegungspolizistinnen konnten ihr wengisten einmal im Jahr etwas übelnehmen. War es die Erlaubnis für Lui, einige Geschichten aus einem Buch abzudrucken oder, noch früher, die Auseinandersetzung mit Alice Schwarzer - sie blieb streitlustig und unbeirrt bei ihren Vorhaben. Ihre Beiträge in öffentlichen Diskussionen hatten für mich immer eine fremde Logik, waren aber immer auch so verblüffend, daß ich eine Weile darüber nachzudenken hatte. Es ist schwer sich vorzustellen, daß es ihren Verlag weitergeben wird, war er doch so sehr ein Ausdruck ihrer Person. Vielen Freundinnen, deren Leben nicht unbeeinflußt von dieser Freundschaft blieb, werden Gudula vermissen, die stundenlangen Telefonate, währenddessen man gemeinsam Fernsehn guckte, mit ihre über die Kanäle flippte, Spaghetti aß und Salatsoßen austauschte, hier und da unterbrochen von köstlichen Diskussionen über Fragen aus Gesellschaft, Politik und Kultur. Sie werden sich an die Großzügigkeit erinnern, die sie ihren meist minderbemittelten Freundinnen zukommen ließ, werden sich auch an die Anstrengungen erinnern, die diese Freundschaft mit sich brachte, wie jede Beziehung mit starken Frauen. Seien alle guten Geister mit dir, Gudula. Im nächsten Leben wirst du in New York sein, denn hier leben einfach zu viele nette Frauen, die du gerne um dich gehabt hättest.
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