Jugendtribunal gegen Vernichtung von Ausbildungsplätzen

Jugendtribunal gegen Vernichtung von Ausbildungsplätzen Etwa 600 Jugendliche hatten sich gestern in der Luise–Albertz– Halle in Oberhausen versammelt, um als Zuschauer bei einem Tribunal gegen „die Ausbildungsplatzvernichter“ Thyssen, Mannesmann und Krupp teilzunehmen. Haverkamp, der Jugendsekretär der IGM Oberhausen begrüßte besonders die Schülerinnen und Schüler verschiedener Oberhausener Hauptschulen, Auszubildende von Thyssen, die „kein Bock auf Ausbildungsplatzvernichtung“ haben, und 50 Jugendliche, die in einer „Maßnahme stecken“, einer Warteschleife, die sie für ein Jahr aus den Arbeitslosenstatistiken heraushält. Insgesamt sollen in den stahlverarbeitenden Betrieben zwischen Rhein und Ruhr 367 Ausbildungsplätze wegfallen. Die Städte werden dadurch unterschiedlich stark betroffen: In Hattingen beispielsweise fällt genau die Hälfte der in der Stadt überhaupt verfügbaren Lehrstellen weg. Während die einen „Wut aber keinen Mut“ mehr haben, wie Rene, der seinen Traumberuf Elektorinstallateur anstrebt und vom Arbeitsamt jetzt als „Fischwirt“ nach Bayern geschickt werden soll - finden die anderen zumindest noch derbe Worte. So verglich der Jugendvertreter der Thyssen Stahl Werke in Oberhausen, Frank Raab, das Verhalten des Thyssen–Vorstands mit einem „bluttriefenden, sabbernden Irren, der in dein Haus kommt und ein Beil nach dir schmeißt. Und da wirst du dir ja wohl eine Kanone schnappen und den ins Jenseits pusten.“ Zehn Prozent Dividende, die die Thyssen AG am Freitag in ihrer Hauptversammlung für ihre Aktionäre ausschütten will, sind nach Frank Raabs Überzeugung nur dafür da, „damit die Baronin von Thyssen ihren fetten Arsch besser über ihre Hazienda schwenken kann.“ Wütend, aber etwas moderater äußerten sich die anderen Ankläger im Jugendtribunal, das auf Anregung der IG Metall Oberhausen entstanden ist. Jörg Lauer, Jugendvertreter bei der Krupp– Stahl AG in Rheinhausen, zeigte auf, daß die Unternehmensleitung die Anzahl der Ausbildungsplätze stets nach staatlichen Zuschüssen ausrichtete. Thomas Gulscinsky von den Mannesmann Röhrenwerken sieht eine „Olympiade der Arbeitsplatzvernichtung, in der Mannesmann wohl die Goldmedaille gewinnen will“. Bei Mannesmann wird den Azubis, die ihre Prüfung bestanden haben, ein sechs–Monatsvertrag angeboten, der nur 24 Stunden Arbeit beinhaltet. Die Restzeit wird vom Arbeitsamt mit Kursen über neue Technologien ausgefüllt. Die Schülerin Silke stellte die Lage der Mädchen dar, deren Chancen mehr als schlecht stehen. 64,4 Prozent der Jugendlichen, die keinen Ausbildungsplatz haben, sind Mädchen. Die große Zahl der erfolglosen Bewerbungsschreiben, die Silke rausgeschickt hat, hat einen ziemlichen Frust bei ihr hinterlassen, und der wird „nach jeder Absage größer“. Als Verteidiger im Tribunal, in dem die angeklagten Konzernvorstände als „Pappkameraden“ mit Zigarre und Zylinder teilnehmen, führt der Oberhausener Schauspieler Dieter Oberholz als Verteidiger aus, daß Arbeitsplatzabbau bei Profitminderung selbstverständlich sei, daß den Kapitalisten die Macht aufgrund ihrer besonderen sozialen, biologischen, geistigen und sittlichen Qualitäten gehöre und die Massen keine Gewerkschaften, sondern die Führung durch eine Elite brauchten. Toben im Zuschauersaal. Im abschließenden Urteil, dem „Oberhausener Manifest“, werden die Stahlunternehmen dazu verdonnert, den Abbau von Arbeits– und Ausbildungsplätzen zu stoppen, Ersatzarbeitsplätze zu schaffen und alle Azubis zu übernehmen. Außerdem heißt es dann noch „Wer der Jugend ihre Zukunftsperspektive entzieht, hat auch keinen Anspruch auf Schutz vor dem Zorn der Jugend“. Foto: U.Baatz / Antrazit