Unfall in einem britischen AKW

■ Gasgekühlter Atomreaktor wurde durch auslaufendes Wasser außer Betrieb gesetzt Verantwortliche Elektrizitäts–Behörde leugnet Gefahr für die Öffentlichkeit

Aus London Rolf Paasch

Die Betriebsstörung im britischen Atomkraftwerk von Hartlepool in der vergangenen Woche war der bisher schwerste Unfall in einem gasgekühlten Atomreaktor britischen Designs. Am 17. März war durch ein Leck im Sekundärkreislauf des Reaktors eine Tonne Wasser in die Elektromotoren gelaufen, die den gasgekühlten Primärkreislauf der Anlage aufrechterhalten. Sechs der insgesamt 16 Motoren gaben daraufhin ihren Geist auf. Die von der betreibenden Elektrizitätsbehörde (CEGB) geleugnete „Gefahr für die Öffentlichkeit“ lag bei diesem Zwischenfall weniger in der Überhitzung des Reaktorkerns als in möglichen elektrischen Kurzschlüssen. Diese, so der Atomexperte der „Friends of the Earth“, Steward Boyle, hätten unter Umständen zu einem Feuer oder zur Beeinträchtigung des Kontrollsystems führen können. Die CEGB wird den Atommeiler nun vermutlich für mehrere Wochen stillegen müssen. Die Anlage an der Nordostküste Englands war in der Vergangenheit bereits wegen der sehr großzügig bemessenen Emissionsrichtlinien ins Kreuzfeuer der Kritik geraten. Im Verlaufe der seit einigen Tagen betriebenen Druckablassung im Reaktorkern wird nun weitere niedrig radioaktive Strahlung freigesetzt werden. Allerdings, so beeilte sich ein Sprecher der CEGB mitzuteilen, „alles im Rahmen der staatlich festgelegten Grenzwerte“. Erst vor wenigen Wochen hatte sich die britische Regierung in einer Grundsatzentscheidung gegen den einheimischen AGR und für den amerikanischen Druckwasserreaktor entschieden. Ironischerweise spricht der Unfall von Hartlepool nun für den AGR. Denn eine vergleichbare Betriebsstörung in dem weitaus direkter reagierenen wassergekühlten System des PWR, so Steward Boyle, „könnte katastrophale Folgen haben“.