Guatemalas Todesschwadrone morden weiter

■ Richard von Weizsäcker auf Staatsbesuch bei Guatemalas Präsident Vinicio Cerezo / Der neue Entwicklungsminister Hans Klein unterzeichnete Kapitalhilfeabkommen in Höhe von 53 Millionen Mark / Die Menschenrechtsverletzungen haben nicht aufgehört

Aus Guatemala Rita Neubauer

„Bedrohte Lehrerin verließ das Land“, so titelte vergangenen Dienstag die guatemaltekische Tageszeitung El Grafico auf ihrer ersten Seite. Dinora Martinez Salazar war im November letzten Jahres nach eigenen Aussagen von drei Militärs aus ihrem Haus entführt und anschließend mißhandelt worden. Die 26jährige versteckte sich nach ihrer Freilassung bei der „Grupo de Apoyo Mutuo“, der „Gruppe für gegenseitige Hilfe“ (GAM) in Guatemala– Stadt. Bevor sie das mittelamerikanische Land, dem seit Mittwoch Bundespräsident Richard von Weizsäcker einen Staatsbesuch abstattet, in Richtung Mexico verließ, erklärte sie, daß sie Todesdrohungen erhalten habe. Weizsäcker erklärte, man habe zwischen der Bundesrepublik und Guatemala ein Kapitalhilfeabkommen vorbereitet, das während seines Staatsbesuchs von dem begleitenden Bundesentwicklungsminister Hans Klein (CSU) unter zeichnet werden soll. Das Abkommen sieht eine Finanzhilfe von 40 Millionen Mark und eine technische Hilfe von 13 Millionen Mark vor. Die 13 Millionen muß Guatemala nicht zurückzahlen. Die 40 Millionen Mark Finanzhilfe, die zu besonders günstigen Bedingungen gewährt würden, sollten zur Hälfte als Warenhilfe, der Rest zur Straßenbaufinanzierung verwendet werden. Wie verlautete, will Weizsäcker bei seinen Gesprächen mit der Regierung von Guatemala auch bestimmte Fälle von Menschenrechtsverletzungen zur Sprache bringen. „Wir dürfen die Augen nicht davor verschließen, daß soziale Spannungen und private Gewaltanwendung bisher nicht überwunden sind“, sagte der Bundespräsident. Guatemalas Präsident Vinicio Cerezo, der im Januar 1986 die Militärs im Nationalpalast ablöste, bemüht sich, im In– und Ausland den Eindruck entstehen zu lassen, seine Regierung habe die Menschenrechtssituation weitgehend im Griff. Zwar haben in den ersten Monaten seiner Amtszeit die Entführungen und Morde durch die rechtsgerichteten Todesschwadrone abgenommen. Doch sind nach Angaben der unabhängigen guatemaltekischen Menschenrechtsorganisation CDHG auch im Jahr 1986 noch 455 Personen von Unbekannten verschleppt und anschließend ermordet worden, weitere 121 gelten als „verschwunden“. In ihrem Bericht an die UNO–Menschenrechtskommission vom 9. Januar dieses Jahres moniert die CDHG, daß die christdemokratische Regierung weder Untersuchungen über diese Fälle eingeleitet habe, noch Anstrengungen unternehme, um die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Im Februar wurden zwei Indianerinnen tot aufgefunden. Die beiden Frauen, denen frühere Kontakte zur URNG–Guerilla nachgesagt werden, hatten ihr Dorf San Jose Poaquil wegen der Repressionen und Massaker der Militärs im Jahr 1981 verlassen. Sie wurden entführt, aber ihre Leichen fand man brutal verstümmelt in ihrem Heimatdorf. In diesem Monat wurde ein Mitarbeiter der Tageszeitung Prensa Libre umgebracht, und es verschwanden in Guatemala–Stadt ein Student sowie ein Gewerkschafter. Die Forderung der GAM nach Untersuchung der Fälle von Verschwundenen - in den letzten fünf Jahren immerhin über 1.300 namentlich Bekannte - und der Einsetzung einer regierungsunabhängigen Kommission mit Beteiligung internationaler Beobachter sowie nach Bestrafung der Verantwortlichen scheiterten. Bevor sie Cerezo die Amtsgeschäfte überließen, amnestierten sich die Militärs selbst für ihre Verbrechen. Rechte Kreise setzten auch den Präsidenten unter Druck, der daraufhin im September vergangenen Jahres nur noch die Installierung einer Kommission des Kongresses ankündigte. Bis heute aber fand sich noch kein Inhaber für dieses Amt.