US–Atom–Apologeten auf absteigendem Ast

■ Sowohl im zivilen als auch im militärischen Bereich der US–Atomwirtschaft häufen sich die Probleme Plutoniumbrüter sind Schrott, die Belegschaften der zivilen AKWs bekifft / Von Silvia Sanides–Kilian

Nicht gerade prompt, aber dafür um so nachhaltiger machen sich in den USA jetzt die Folgen des Super–GAUs in der fernen Ukraine bemerkbar. Die Nachdenklichkeit setzte ein bei einem Reaktortyp, der ausschließlich im militärischen Bereich verwendet wird. Da diese Army–Reaktoren genau wie der in Tschernobyl ohne Containment gebaut wurden, schien die Sicherheitsüberprüfung derselben besonders dringend. Heraus kam ein verheerendes Ergebnis. Die Betriebssicherheit ist derart gering, daß bereits zwei Drttel der Kapazitäten stillgelegt werden mußten. Doch auch im zivilen Sektor kam Überraschendes heraus: Atomkraftwerke werden mehr und mehr zu Drogenumschlagplätzen. Was passie

Was nie jemand für möglich gehalten hätte, scheint nun nicht mehr ganz ausgeschlossen. Der westlichen Vormacht, den Militärs der USA, wird der Stoff aus dem die Bombe ist, knapp. Um insgesamt sechzig Prozent ist die Produktion von waffenreinem Plutonium und Tritium seit Ende letzten Jahres gedrosselt worden - dank Tschernobyl. Die vom US–Energieministerium betriebenen Reaktoren zur Herstellung von Plutonium und Tritium sind seit Tschernobyl einer besonders genauen Überprüfung unterworfen worden, weil sie wie der Reaktor in der Ukraine keine Betonkuppel (Containment) besitzen. Im Auftrag des Energieministeriums untersucht zur Zeit die „National Academy of Sciences“, eine unabhängige Organisation renommierter Wissenschaftler, die regierungseigenen Reaktoren. So bedenklich erschien den Wissenschaftlern der Zustand von drei Schwerwasserreaktoren in der Savannah River Plant im Bundesstaat South Carolina, daß sie bereits zweimal vor Beendigung der Studie Notmaßnahmen angeordnet haben. Ende letzten Jahres forderten sie die Drosselung der Produktion der drei Reaktoren um 26 Prozent und am vorigen Wochenende eine weitere Drosselung um dreißig Prozent. Sie könnten nicht garantieren, so die Experten, daß das Kühlsystem der drei Reaktoren im Falle eines schweren Unfalls ausreiche, um einen „Meltdown“ zu verhindern. Da das Energieministerium die militärischen Atomanlagen kontrolliert, sind die Anforderungen an Sicherheit und Umweltfreundlichkeit weit weniger streng als die von der Atomaufsichtsbehörde (Nuclear Regulatory Commission, NRC) erstellten Richtlinien für die industrielle Atomenergieherstellung. So würden die Reaktoren der Savannah River Plant beispielsweise von der NRC nicht genehmigt werden, weil die Betonhülle fehlt und das Ersatzkühlsystem unzureichend ist. Überdies sind keine Kühltürme vorhanden, sondern das heiße Abwasser wird direkt in die Umwelt abgelassen. Auf die US–amerikanische Waffenproduktion, so Stan Norris vom Natural Resources Defense Council gegenüber der taz, wird sich die Misere der militärischen Atomreaktoren zunächst nicht direkt auswirken. Zwar sei im vergangenen Jahr noch ein weiterer wichtiger Plutonium–produzierender Reaktor im Bundesstaat Washington abgeschaltet worden - es handelt sich um den N–Reaktor, der nach 23 Jahren Betriebszeit renovierungsbedürftig ist -, doch wird der größte Anteil des für neue Waffen benötigten Plutoniums und alles waffenreine Uran aus alten Atomwaffen gewonnen. Kritischer sei die Versorgung mit Tritium, das in geringen Mengen für etwa neunzig Prozent aller modernen Atomwaffen benötigt wird, nur eine kurze Halbwertszeit besitzt und deshalb kontinuierlich neu hergestellt werden muß. Einer der drei Reaktoren der Savannah River Plant dient der Tritiumherstellung, während die anderen beiden Plutonium produzieren. Zivile Atomkraft für die Waffenproduktion Einem möglichen Engpaß in der Waffenproduktion will die Reagan–Regierung auf bedenkliche Weise vorbeugen. So untersucht das Energieministerium seit einigen Monaten die Möglichkeit, ein ziviles Atomkraftwerk, das wegen rückgehendem Strombedarf noch vor der Fertigstellung eingemottet wurde, für militärische Nutzung umzurüsten. Das eingemottete Kraftwerk soll vom Energieministerium von der hoch verschuldeten Eigentümerin aufgekauft werden und zukünftig Tritium produzieren. Es befindet sich in nächster Nähe des abgeschalteten N–Reaktors im Bundesstaat Washington und würde dessen auf 2,1 Milliarden Dollar geschätzte Reparatur erübrigen, da man ganz auf ihn verzichten könnte. Weiterhin, so Norris, faßt das Energieministerium einen bereits vor fünf Jahren diskutierten, äußerst kontroversen Plan erneut ins Auge: waffenreines Plutonium aus den abgebrannten Brennstäben von zivilen Atomkraftwerken zu gewinnen. Eine Versuchsanlage, die „Special Isotope Separation Facility“, in der dieser Prozeß mittels einer neuen Lasertechnologie durchgeführt wird, existiert bereits im Bundesstaat Idaho. Sowohl die Umrüstung eines zivilen Atomkraftwerks für militärische Zwecke sowie die Gewinnung waffenreinen Plutoniums aus abgebrannten Brennstäben ziviler Atomkraftwerke würde jedoch einer dreißig Jahre alten US–amerikanischen Tradition, zivile und militärische Nutzung der Atomspaltung streng zu trennen, ein Ende setzen. Die internationalen Auswirkungen wären gewaltig, denn die US–Regierung hat ihre Politik der Nichtweiterverbreitung von Atomwaffen stets mit der eigenen Trennung der zivilen und militärischen Atomnutzung begründet. Würde diese Tradition gebrochen, so könnten auch andere Nationen, die in Besitz von Atomkraft sind, aber keine Atomwaffen bauen, schwerlich daran gehindert werden, ihre Kraftwerke für militärische Zwecke zu nutzen. Auf jeden Fall, so Norris, würden diese Pläne des Energieministeriums zunächst einmal enorme Kontroversen im Kongreß entfachen.