: Säbelrasseln zwischen Griechenland und Türkei
■ Streitkräfte in Bereitschaft / Anlaß sind seismologische Untersuchungen des türkischen Forschungsschiffs „Sismik“ nahe den griechischen Inseln Limnos und Lesbos / Griechenland bekräftigt Entschluß, das beanspruchte Territorium mit allen Mitteln zu verteidigen
Von Antje Bauer
Berlin (taz/dpa) - Die Türkei und Griechenland haben ihre Streitkräfte wegen der neuen Ägäis–Krise in erhöhte Bereitschaft versetzt. Die griechische Regierung beschloß am Freitag, die Suche der Türkei nach möglichen Erdölfeldern auf dem Festlandssockel der Ägäis „nicht mit Worten, sondern mit Taten“ zu verhindern. Zugleich erklärte in Ankara Brigadegeneral Guven Ergenc im Namen des türkischen Generalstabs, daß jeder griechische Angriff auf die das Forschungsschiff „Sismik–I“ eskortierenden Kriegsschiffe „natürlich ein Kriegsgrund“ sein werde. Damit treibt die neue Krise zwischen den beiden NATO–Partnern einem möglicherweise explosiven Höhepunkt zu. Griechenland berief Reservisten ein. Kriegsschiffe liefen aus. Höchste Bereitschaft wurde in der griechischen Grenzprovinz am Ewros und auf den Ägäis–Inseln befohlen. Die zwei feindlichen Brüder Griechenland und Türkei haben sich einmal mehr zu Kampfhähnen entwickelt. „Wenn das türkische Schiff seine Bohrungen beginnt, werden wir angreifen“, erklärte am Freitag der sozialisti sche Regierungschef Griechenlands, Andreas Papandreou, vor der Presse. Die Türkei droht unverhüllt für den Fall, daß das Schiff angegriffen werde. Das Forschungsschiff „Sismik“ soll am heutigen Samstag die Dardanellen verlassen und Kurs auf die Ägäis nehmen. Dort soll es im Auftrag der türkischen Erdölgesellschaft TPAO seismologische Untersuchungen durchführen, um das dort vermutete Erdöl fördern zu können. Das für die Untersuchung anvisierte Gebiet liegt ganz in der Nähe der griechischen Inseln Limnos und Lesbos. Die vorgesehenen Schürfungen würden auf international umstrittenem Gebiet stattfinden: Während die Türkei diese Gewässer als international ansieht, gehören sie für Griechenland zum Festlandssockel der griechischen Inseln. Die griechische Regierung ist darüber hinaus der Auffassung, daß das griechische Hoheitsgebiet von sechs auf zwölf Meilen ausgedehnt werden soll. Sie sieht demzufolge in der türkischen Maßnahme eine Verletzung ihres Hoheitsgebiets, die sie nicht zu tolerieren gewillt ist. taz–Korrespondent Ömer Seven berichtete am Freitag von häufigen Jet–Flügen über Istanbul. Auch aus offizieller türkischer Sicht geht es keinesfalls um eine Provokation des Nachbarn. Fortsetzung auf Seite 6 Kommentar auf Seite 4 Vielmehr gehe es lediglich um eine Verteidigung der eigenen Souveränität. Ein griechisches Firmenkonsortium, das seit Jahren in der Ägäis nach Öl sucht, hatte im Februar angekündigt, es wolle am 28. März beginnen, auch in den umstrittenen Gewässern nach Erdöl zu bohren. Die Genehmigung dafür hatte es noch zu Zeiten des Diktators Papadopoulos erhalten. Diese Ankündigung erfolgte tatsächlich, wie unser Korrespondent aus Athen mitteilt. Allerdings habe Regierungschef Papandreou daraufhin, um Konflikte mit der Türkei zu vermeiden, nach Wegen gesucht, um diese Bohrungen zu verhindern. Ein Versuch, einen Großteil der Aktien des Konsortiums staatlicherseits aufzukaufen, sei an der Weigerung des Hauptaktienhalters, der kanadischen Firma Denison, gescheitert, deshalb habe er sich bemüht, die Aktien zwangszuenteignen. Über diese Frage sollte am gestrigen Nachmittag im Parlament diskutiert werden. Die Bohrungen im umstrittenen Gebiet fanden unterdes nicht statt. Die türkische Seite scheint diese Bemühungen der griechischen Regierung nicht zur Kenntnis genommen zu haben, denn die Entsendung des Forschungsschiffs „Sismik“ wird ausdrücklich als Vergeltung für die angeblich angekündigten griechischen Bohrungen in internationalen Gewässern bezeichnet. Um dem „Vergeltungsschlag“ auch die nötige Kraft zu verleihen, wird türkischen Presseberichten zufolge eine Schürflizenz für türkische Erdölfirmen vorbereitet, die 50.000 ha umfassen soll, sowohl in türkischen wie in umstrittenen Gewässern. Inzwischen ist die Diplomatie beider Länder in der Ägäis–Krise aktiv geworden. Griechenlands Außenminister Papulias soll mit einer Botschaft Papandreous nach Sofia reisen. Eine ähnliche Mission ist für Belgrad geplant. Athen ließ der türkischen Regierung mitteilen, daß ein für April geplanter türkischer Minister–Besuch derzeit nicht möglich sei. Die Türkei verständigte ihrerseits die islamischen und blockfreien Länder. Bereits am Dienstag waren die NATO–Partner über die türkischen Absichten informiert worden. Die Länder des Warschauer Pakts sollen ähnlich in Kenntnis gesetzt werden.
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