DGB organisiert Patenschaften für Metaller

■ Schon im Vorfeld möglicher Streiks um die 35–Stunden–Woche will der DGB der IG Metall „effektive Hilfe“ gewähren

Von Jakob Sonnenschein

Düsseldorf (taz) - Der Deutsche Gewerkschaftsbund(DGB) will für die potentiell von kalter Aussperrung betroffenen Metallbetriebe ab sofort in großem Umfang „Patenschaften“ organisieren. In allen DGB–Kreisen sollen vor Ort in Zusammenarbeit mit der IG– Metall und den 16 anderen Einzelgewerkschaften des DGB die entsprechenden Betriebe sowie deren „Paten“, ermittelt werden. Bei diesen Paten ist an Betriebe gedacht, die nicht direkt in die tarif– politische Auseinandersetzung verwickelt sind. Das Ziel ist die Vorbereitung von „effektiver Hilfe“ auf lokaler Ebene für den Fall der Aussperrung. Auf diese Strategie einigten sich die Beauftragten der Vorsitzenden aller Einzelgewerkschaf ten mit dem geschäftsführenden DGB–Bundesvorstand. Zur Zeit geht das entsprechende Strategiepapier allen DGB–Kreisen zu. Schon im Vorfeld der möglichen Streiks um die 35–Stunden–Woche sollen - stadtteil– und betriebsbezogen - die „unterschwelligen Ängste vieler Kolleginnen und Kollegen vor einem Arbeitskampf bei Verweigerung von Kurzarbeitergeld“ durch Vorbereitung konkreter Hilfsmaßnahmen „aufgefangen und auch verringert werden“. Nach der Verschärfung des Paragraphen 116 rechnet man innerhalb der Gewerkschaften für den Ernstfall mit bis zu 1,7 Millionen kalt ausgesperrten Metallern. Schon beim letzten Streik um die Arbeitszeitverkürzung wurden 300.000 Metallarbeiter kalt ausgesperrt, die allerdings Kurzarbeitergeld vom Arbeitsamt bekamen. Eine Streikstrategie, die die Verschärfung des Paragraphen 116 unterlaufen könnte, ist nicht in Sicht. Wollten die Gewerkschaften den kalt ausgesperrten Mitgliedern Streikgeld zahlen, wären die Streikfonds innerhalb von Tagen leergeräumt. Heute kann der Kampf im Streikfall nur gewonnen werden - da sind sich alle Gewerkschafter einig -, wenn die gesellschaftliche Solidarisierung in bisher nie dagewesenem Maße gelingt. Lothar Zimmermann, im DGB–Bundesvorstand für Tarifpolitik zuständig, sieht dafür gute Chancen. „Die Forderung nach der 35–Stunden–Woche ist heute populärer“. Begrüßt hat der DGB–Bundesvorstand die Aktionen des früheren IGM–Vorstandsmitgliedes Hans Janßen, der überall im Lande zur Bildung von „Bürgerkomitees“ aufruft. Bei der Bildung von Patenschaften geht es dem DGB zwar auch um materielle Hilfe, aber man warnt davor, „diesen Punkt zu sehr hochzuziehen“. Lohn– oder Sozialhilfeersatz für alle Betroffenen sei dadurch nicht zu leisten, heißt es im Düsseldorfer DGB–Haus. Es müsse immer sichtbar bleiben, wer den Ausfall des Kurzarbeitergeldes zu verantworten habe. Bei falschen Versprechungen, so die Befürchtung, könnte es sonst zu einem Sturm der Gewerkschaftshäuser kommen. Hausrecht für Ausgesperrte Der Vorsitzende der Industriegewerkschaft Druck und Papier in Baden–Württemberg, Werner Pfennig, erklärte am Wochende auf einer Funktionärskonferenz seiner Organisation, ein Streik sei unvermeidlich, wenn die Unternehmer bei ihrem prinzipiellen Nein zur 35–Stunden–Woche blieben. Er verteidigte den Beschluß der IG Druck und Papier, im Falle von Aussperrungen im Betrieb zu bleiben. Der Betrieb dürfe nicht mit dem Wohnzimmer des Unternehmers auf eine Stufe gestellt werden: „Wer andere für sich arbeiten läßt, der muß es hinnehmen, daß sein sogenanntes Hausrecht im Betrieb während eines Arbeitskampfes nicht uneingeschränkt exekutiert werden kann“. Auch in der Druckindustrie sollen wie im Metallbereich am Montag keine Überstunden von den Betriebsräten zugelassen werden. Auch die IG Metall hat jetzt erstmals dazu aufgefordert, im Fall von „kalter“ Aussperrung im Betrieb zu verbleiben. Der Bezirksleiter der IGM Baden–Württemberg, Ernst Eisenmann, richtete in den mit 430.000 Auflage verteilten Metallnachrichten die Frage an die Arbeitgeber: „Wollen Sie die 50, die 500, die 5.000 oder 10.000 Kollegen von der Polizei aus dem Betrieb tragen lassen? Wieviele Träger brauchen Sie dazu?“ marke