Herzog begnadigt jüdische Attentäter

■ Drei zu Lebenslänglich verurteilten Mitgliedern des rechtsradikalen „Untergrundnetzes“ wurde erheblicher Strafnachlaß gewährt Rechtsgerichtete Kreise lehnen BRD–Besuch Herzogs ab und fordern Amnestie für Mitglieder der radikalen Siedlerpartei „Gush Emunin“

Aus Tel Aviv Amos Wollin

Eine Woche vor seinem Besuch in der Bundesrepublik hat der israelische Ministerpräsident Chaim Herzog erneut Mitgliedern des sogenannten „Jüdischen Untergrun Antrag auf Erlaß eines Drittels der Strafe stellen können und sofort Anspruch auf Hafturlaub haben. Zudem hegen sie die Hoffnung auf baldige völlige Begnadigung. Es ist kein Zufall, daß der Strafnachlaß für die Anführer des „Untergrundnetzes“ zum jetzigen Zeitpunkt erfolgt. Extrem rechtsgerichtete Kreise in Israel for dern, daß Herzog den Besuch in der BRD absagt und zugleich die wenigen noch einsitzenden Mitglieder der radikalen Siedlerbewegung Gush Emunin sofort amnestiert werden, damit sie das Pessach–Fest im Kreis ihrer Familie in ihren Kolonien in den besetzten Gebieten feiern können. Die Mehrzahl der 28 verurteilten Mitglieder des „Untergrundnetzes“ haben entweder ihre kurzen Haftstrafen verbüßt oder konnten das Gefängnis vorzeitig verlassen und in die Gush–Emunin–Siedlungen in der besetzten Westbank oder auf den Golan–Höhen zurückkehren. Meinungsumfragen zeigen, daß eine große Mehrheit der jüdischen Israelis die sofortige Entlassung aller noch in Haft befindlichen jüdischen Attentäter fordert. Sprecher des rechtsgerichteten Likud–Blocks haben die Entschei dung des Präsidenten begrüßt, erwarten jedoch ebenfalls eine vollständige Begnadigung der Verurteilten sowie eine „Tilgung ihrer Schuld“. Falls ein derartiger Schritt des Präsidenten nicht erfolge, drohen die Rechtsparteien mit einem Sondergesetz des Parlaments zur Freilassung aller Mitglieder des „Netzes“ noch vor den jüdischen Feiertagen im Spätsommer. Minister Josef Shapira von der National–Religiösen Partei gratulierte Herzog zu seiner Unterscheidung zwischen jüdischen und arabischen „Sicherheitsgefangenen“. Während die Araber gegen den Staat handelten, hätten die „sogenannten jüdischen Sicherheitsgefangenen die Interessen des jüdischen Staates im Auge und handelten lediglich aufgrund falscher Vorstellungen“. Alle linken oppositionellen Gruppen und Parteien protestierten demgegenüber gegen den Schritt Herzogs. Der Abgeordnete Jossi Sarid (Bürgerrechts– Partei) erklärte, der Beschluß des Präsidenten helfe denen, die „zwischen guten und bösen Mördern“ unterscheiden. Keiner der arabischen „Sicherheitsgefangenen“, die zu lebenslanger Haft verurteilt seien, käme in den Genuß von Urlaub oder Strafermässigung. Matti Peled, Abgeordneter der „Progressiven Friedensliste“, erklärte: „Das Ziel der extremen Rechten hier ist es nicht so sehr, die Leute ihrer Untergrundbewegung freizubekommen, sondern es geht ihnen vor allem um die Legitimierung ihrer Untaten.“ Für die „Demokratische Front“ ist der Schritt Herzogs ein Schlag gegen die Palästinenser und eine Verbeugung vor rechtschauvinistischen Kreisen, die vor dem Besuch in der BRD zufriedengestellt werden müßten. Der ehemalige Staatspräsident Efraim Kazir drückte sein Bedauern darüber aus, daß so kurze Zeit nach dem Tod der drei Palästinenser im Jahre 1983 die Strafen verkürzt würden, insbesondere in einem Fall, in dem die Täter keine Spur von Reue zeigen. So werde der Strafnachlaß mißverstanden werden und der Eindruck erweckt, daß Verbrechen gegenüber Arabern leicht vergeben würden. Auch zum bevorstehenden Besuch Herzogs in der BRD drückte Kazir sich kritisch aus: „Auch hier handelt Präsident Herzog voreilig. Die Zeit für einen offiziellen Besuch eines israelischen Staatspräsidenten in Deutschland ist noch nicht gekommen. Viele Juden werden das tief bedauern.