Gnadenfrist fürs Eschhaus

■ Das unabhängige Kulturzentrum Eschhaus in Duisburg muß schließen / Die Stadtväter der „Montan–Stadt“ geben ihr Geld lieber für Repräsentableres aus / Lothar Buchheim hats auch schon gemerkt

Aus Duisburg Corinna Kawaters

Wer über die A 42 oder die B 1 nach Duisburg zum unabhängigen Kulturzentrum Eschhaus fährt, kommt unweigerlich daran vorbei, an einer gigantischen Milchtüte, zu der man einen Hafenspeicher aus Werbezwecken umgepinselt hat: Die „Mister–Softy– Packung“ empfiehlt „frische Milch vom Lande“. Die ist in Duisburg auch nötig. Denn die Stadt ist noch dreckiger, noch häßlicher als die anderen Ruhrgebietstädte. Duisburg liegt in der Arbeitslosenstatistik des Reviers auf Platz vier und angesichts der Stahlarbeiter–Entlassungen bahnt sich weiteres Übel an. Schon jetzt drängen sich mittags in der Innenstadt einkaufende Facharbeiterfamilien um Bettler, Punks und Alkies. „Kultur muß her“ schreien in dieser Situation Stadtväter und „Kultur“ muß bei ihnen was kosten, sonst kann das nichts Besonderes sein. Fürs Eschhaus, das selbstverwaltete und seit zwölf Jahren bestehende Jugendzentrum, hatten die Politiker noch nie viel übrig. Die Stadt erlaubte die Nutzung ihrer Räume und zahlt die Heizkosten für den Eschhaus– Verein. Es kam ihr zugute, daß der Widerwille der um Autonomie bemühten Eschhaus–Mitarbeiter gegen „Staatsknete“, die Stadt vor weitergehenden Finanzforderungen bewahrte. Filme, Musik– und Polit–Veranstaltungen, das Eschhaus–Heft, Workshops und Kurse, und die diversen im Haus aktiven Gruppen finanzieren ihre Arbeit aus anderen Quellen und aus dem Disco– und Kneipenbetrieb. Seit September 1986 stand aufgrund eines „Lärmkonflikts“, die Vertragskündigung seitens der Stadt an. Sie galt für den 31. März 87, und wurde jetzt um drei Monate verschoben. Von einem „Kulturzentrum“ erwartet man im Rathaus der „Stadt Montan“ etwas anderes, als das Eschhaus anbot. Kürzlich erst legten sich die Duisburger Politiker ein Museum für elf Millionen zu, um sich dann mit dem Kunstsammler Lothar Günther Buchheim anzulegen. In der Niederstraße, in der das Eschhaus steht, wohnen keine reichen Leute, geschweige denn Kunstsammler, die die Bemühungen ihrer Stadtväter honorieren könnten. Aber da gibt es, Wand an Wand mit dem lärmigen, lästigen Kultur–Zentrum, das Dreigiebelhaus. Es zählt zu dem halben Dutzend städtebaulicher Antiquitäten, die es in der 500.000–Einwohner–Stadt gibt. Das Beguinenkloster soll nun nach dem Willen des Rats und sämtlicher Ausschüsse „freigelegt“ werden und da war das benachbarte schmuddelige Kulturzentrum natürlich im Weg. Das Eschhaus kommt nach einem Vertrag zwischen Stadt und Verein vom 26. März definitiv und endgültig am 30. Juni weg. Zur Versüßung des Rausschmisses bot die Stadt dem Esc zweite Zuckerbrötchen ist der „Schlachthof“ - eine alte Gaststätte am äußersten Ende der Stadt. Nach halb zwölf abends fährt dort allerdings keine Straßenbahn mehr. Zudem bietet das Gebäude keine Veranstaltungsräume, die dem Eschhaus Programm angemessen wären. „Nein danke“, sagten die von der Vollversammlung beauftragten Eschhaus–Mitarbeiter zu den „Angeboten“ der Stadt. „Das hieße, das Zentrum zum Veranstaltungsort zu machen“, meint einer und jemand anderes: „Das Zentrum lebt von seiner zentralen Lage.“ Die Saubermänner im Rathaus scheinen ihr Ziel erreicht zu haben. „Man kann mit Brunnenfröschen nicht vom Ozean reden“, erkannte schon Buchheim in seiner Auseinandersetzung mit der herrschenden Kultur in Duisburg.