Habres Triumph - ein Sieg ohne Grenzen

■ Trotz der jüngsten militärischen Niederlage der Libyer im Tschad steht Präsident Hussein Habre eine politische Lösung des seit 20 Jahren andauernden Konfliktes noch bevor / Der von Libyen 1973 annektierte Aouzou–Streifen bleibt weiterhin als Risikofaktor bestehen

Von Knut Pedersen

Fad, Ouadi–Doum, Fay–Larqeau: die libyschen Stützpunkte im tschadischen Norden sind zusammengefallen wie Kartenhäuser, die Armee Hissein Habres kam, sah und siegte, der „uneinnehmbare Luftwaffenstützpunkt“ Ouadi–Doum wurde am 22. März in weniger als zwei Stunden überrannt - trotz 3.000 libyscher Soldaten, die über Flugzeuge, Kampfhubschrauber und Dutzende schwerer T–54 und T–55 Panzer sowjetischer Bauart verfügten. Innerhalb der vergangenen zwei Wochen sind in der tschadischen Wüste mehr als 2.500 lybische Soldaten gefallen, das heißt rund ein Viertel des in den Tschad entsandten libyschen Expeditionskorps; umgerechnet auf die Gesamtstärke des libyschen Heeres macht das bereits mehr als fünf Prozent aus. Der Waffengang im Tschad ist damit für den libyschen Revolutionsführer Ghaddafi zum militärischen, finanziellen und politischen Fiasko geworden. Das Debakel ist freilich noch nicht zu Ende. Die auf zwei– bis dreitausend Soldaten geschätzte libysche Garnison in Faya–Larqeau hat die größte Oase des tschadischen Nordens kampflos geräumt und befindet sich nun auf dem Rückzug, aber sowohl die Piste über Ounianqa–Kebir und Gouro als auch der Weg westlich des Tibestigebirges über Zouar und Wour sind unter tschadischer Kontrolle, der bereits demoralisierten libyschen Truppe steht mithin ein verlustreicher Rückzug bevor, zumal die tschadischen Gegner auch über die bessere Kenntnis des Geländes verfügen. Frankreich triumphiert „Es ist ihr Sieg und sie haben ihn sich ganz allein verdient“, tönt dieser Tage auf allen Wellenlängen Frankreichs Verteidigungsminister Andre Giraud, um dann freilich stets hinzuzufügen: „Natürlich haben wir die Tschader unterstützt, wir haben ihnen die nötigen Waffen geliefert und logistische Hilfe geleistet, im übrigen verfügt Hissein Habre überhaupt nur über eine reguläre Armee, weil wir sie ausgebildet haben...“ und das stimmt sogar. Die falsche Bescheidenheit ist ebenso wahr wie der paternalistische Schulterschlag: Allein für die ersten drei Monate dieses Jahres beläuft sich Frankreichs Militärhilfe an den Tschad auf rund 80 Millionen DM und ohne die Panzerwaffe „Milan“ (Stückpreis: 60.000 DM) hätten auch die mutigen Koran– Krieger Hissein Habres nicht die libyschen Stellungen gestürmt. Im Gegenzug stimmt freilich auch, daß Frankreichs politische Führung den Blitzkrieg in der tschadischen Wüste mit Sicher heit nicht ermutigt hat - auch wenn sich der französische Generalstab vom kampflustigen Habre gerne ein wenig Gewalt antun lassen wollte. „Der Tschad ist im Begriff, sich selbst zu befreien“, hat am Sonntag Frankreichs Staatschef Franois Mitterrand festgestellt. Mit Genugtuung, darf man vermuten, denn der militärische Gang der Dinge entspricht den politischen Wegweisern der vergangenen zwei Jahre. Nachdem ein separater Burgfrieden mit Ghaddafi im November 1984 gescheitert war, hat Frankreich nunmehr den „nützlichen Tschad“ südlich des 16. Breitengrades garantiert und damit Hissein Habre gezwungen, sich aus eigener Kraft die politischen Mittel zur Rückeroberung des besetzten Nordens zu verschaffen. Aus diesem Zusammenhang erklärt sich die „nationale Versöhnung“ zunächst mit den im Süden operierenden Guerillagruppen „Kodos“ und schließlich den Splittergruppen im Exil. Dank des gleichzeitigen Auseinanderfallens der mit Libyen Verbünde ten Gunt–Koalition wurde Hissein Habre dann tatsächlich zum alternativlosen Garanten nationaler Einheit und territorialer Integrität. Und seit dem Bruch Gukuni Weddeyes mit Ghaddafi im vergangenen September ist der seit 20 Jahren bestehende militärische Konflikt kein Bürgerkrieg mehr, sondern ein Befreiungskrieg: Der „große vaterländische Krieg“ tschadischer Patrioten gegen libysche Expansionisten. Libyens Niederlage im Tschad ist die Fortsetzung schlechter Politik mit anderen Mitteln: weil Oberst Ghaddafi die politische Schlappe die nicht wahrhaben will, sucht er weiterhin nach der militärischen Parade: Rund tausend libysche Soldaten im sudanesischen Darfur sind in den vergangenen Tagen vor - und zurückgerückt und haben dabei reichlich diplomatisches Geschirr zertrümmert. Die sudanesische Regierung, die ohnehin Mühe hat, Herr im eigenen Hause zu sein, wurde von Ägypten per Luftbrücke mit Waffen beliefert, bis sich Ghaddhafi endlich zum Beigeben durchrang. Die „neue Front“ im tschadischen Osten darf man damit vermutlich ebenso zu den Akten legen wie die „Drohung“ des libyschen Revolutionsführers, demnächst dem Warschauer Pakt beizutreten und sowjetische Raketen längs der Mittelmeerküste zu stationieren. Während seine Emissäre in Algier die „Heimkehr“ Gukuni Weddeyes aushandeln und seine Truppen die libyschen Kolonnen durch die Wüste jagen, steht Hissein Habre bereits vor der Frage, ob sein militärischer Sieg eine politische Zukunft hat. Den tschadischen Norden zu erobern, ist eine Sache, ihn zu kontrollieren und zu verwalten, eine ganz andere. Selbst wenn sich die libyschen Truppen in den seit 1973 besetzten Aouzoustreifen zurückziehen sollten, so können sie von dort aus jederzeit Kommandoaktionen oder „Strafexpeditionen“ ins Landesinnere schicken, und mit Geld und Zeit lassen sich vielleicht auch neue „Fünfte Kolonnen“ finden. Mit anderen Worten: Hissein Habres Triumph ist ein Sieg ohne Grenzen. Will der Tschad nicht auf Dauer der „Chaosmacht“ Ghaddafis ausgesetzt bleiben, so wird er sich politisch über die Zukunft des Aouzoustreifen verständigen müssen. Senegals Präsident Abdou Diouf hat bereits vorgeschlagen, den internationalen Gerichtshof in Den Haag anzurufen. Ein zweifellos vernünftiger Vorschlag, der freilich voraussetzt, daß sich Ghaddafi dem Recht beugt und Habre mit dem Teufel von gestern paktiert.