Kraftprobe

■ Die Positionen im Tarifkampf werden abgesteckt

Noch wissen selbst die Beteiligten nicht, ob es in diesem Jahr wieder zu einem Arbeitskampf um die 35–Stunden–Woche kommen wird. Zu viele Unsicherheiten sind noch im Spiel. Die unmittelbaren Kontrahenten, die IG Metall und der Arbeitgeberverband Gesamtmetall, haben noch nicht deutlich zu erkennen gegeben, wo ihre Kompromißfähigkeit in den laufenden Verhandlungen endet. Doch allmählich werden die Konturen des Tarifkonflikts deutlicher: Ein Streik ist wahrscheinlicher geworden. Zwischen dem Arbeitszeitangebot der Arbeitgeber (38 Stunden) und der Forderung der IG Metall (35 Stunden) liegen Welten. Die Arbeitgeber haben unmißverständlich erklärt, daß dies ihr letztes Angebot sei. Und die IG Metall hat erklärt, zumindest als letzte Stufe der Arbeitszeitverkürzung müsse die „35“ jetzt durchgesetzt werden. Ohne Arbeitskampf ist diese Kluft nicht zu überbrücken. Die Mobilisierungskampagne der IG Metall und des DGB haben inzwischen eine Dimension erreicht, die einen lauwarmen Kompromiß - ein bißchen Arbeitszeitverkürzung gegen ein bißchen Flexibilität - nicht mehr zuläßt. Selbst die IG Chemie konnte sich dem nicht mehr entziehen und schwenkte zähneknirschend auf DGB–Linie ein. Dies ist ein Zeichen der Stärke für die IG Metall. Doch das bietet keine Garantie dafür, daß die Gewerkschaften der anstehenden gesellschaftlichen Kraftprobe gewachsen sein werden. Martin Kempe