FR lehnt kritische Anzeige ab

■ Frankfurter Rundschau sieht in Volkszählungsbroschüre Boykottauf

Von Vera Gaserow

Berlin (taz) - Die links–liberale Frankfurter Rundschau, die seit Tagen an exponierter Stelle eine Anzeige der Atomlobby zur Hessenwahl abdruckt, hat jetzt endgültig eine Anzeige abgelehnt, mit der die Humanistische Union und das Grundrechte–Komitee für ihre „Bürgerinformation“ zur Volkszählung werben. Die Anzeige, die mehrfach in der taz erschienen ist, enthält keinerlei Aufruf zum Boykott, sondern weist auf die verfassungsrechtlichen und politischen Bedenken gegen die Volkszählung hin. Auch die 16seitige „Bürgerinformation“, für die in der An zeige geworben wird und die in einer Auflage von 600.000 Stück vertrieben wurde, ruft nicht zum Boykott auf, sondern bittet die Leser, auf der letzten Seite anzukreuzen, in welcher Form sie sich der Volkszählung widersetzen wollen. Diese Absichtserklärungen sollen dann als Petition dem Bundestag übergeben werden. Der FR war das jedoch zuviel. Nachdem sie den Abdruck der Anzeige zunächst von der Lektüre der Bürgerinformation abhängig machen wollte, kam jetzt die klare Ablehnung von Anzeigenchef Wagner. Die Behauptung des Anzeigentextes, die Volkszählung würde verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht gerecht, träfe nicht zu, so der Anzeigenleiter, und weiter: „Der Text der von Ihnen beabsichtigten Anzeige (...) sowie der Ratschlag, wie man sich verhalten kann, läßt unweigerlich den Eindruck einer Verweigerungshaltung aufkommen.“ Boykottaufrufe zur Volkszählungs seien aber „rechtswidrig“. Peinlich nur für die SPD–nahe Frankfurter Rundschau, daß sie damit restriktiver ist, als die CDU erlaubt. CDU–Postminsiter Schwarz–Schilling höchstpersönlich nämlich hatte vor einigen Tagen seine Briefträger angewiesen, die gleiche „Bürgerinformation“ als Postwurfsendung auszuliefern, für die nun in der FR nicht einmal geworben werden darf.