Strafen für Blockade

■ Teilnehmer der Blockadeaktionen in Hasselbach im vergangenen Jahr wurden zu ungewöhnlich hohen Geldstrafen verurteilt / Betroffene vermuten darin Ersatz für Polizeiknüppel

Aus Bad Kreuznach Felix Kurz

Mit ungewöhnlich hohen Strafbefehlen werden zur Zeit die Teilnehmer der gewaltfreien Blockadeaktionen in Hasselbach vor der Baustelle des Cruise Missile– Standortes vom 20. und 21. November vergangenen Jahres durch die rheinland–pfälzische Justiz bedacht. Damals hatten Mitglieder der Friedensbewegung aus dem ganzen Bundesgebiet die vier Tore des zukünftigen Depots der atomaren amerikanischen Marschflugkörper blockiert. Während die Teilnehmer in Mutlangen für eine Blockade vor dem Pershing–II–Depot mit 20 Tagessätzen bestraft werden sollen, liegen die Rheinland–Pfälzer mit mindestens 30 Tagessätzen um 50 Prozent höher. Der Beller Pfarrer August Dahl soll beispielsweise 2.400 DM berappen. Sein Kommentar: „Gewaltfrei, aber teuer.“ Eine Demonstrantin wurde insgesamt dreimal von Polizisten bei den Aktionen weggetragen: Geldstrafe 4.000 DM (80 Tagessätzen a 50 DM). Die Höhe der Tagessätze erscheint darüber hinaus vielen Blockierern als „übertrieben und unrealistisch“. Mehr als 90 Teilnehmer der damaligen zweitägigen Protestaktionen haben nach Auskunft des Leitenden Oberstaatsanwaltes Hermann Hillebrand aus Bad Kreuznach inzwischen ihre Strafbefehle erhalten. Darunter sind auch die Ex– Bundestagsabgeordneten der Grünen, Gert Bastian und Roland Vogt, der 4.000 DM zahlen soll. Gegen insgesamt 144 Personen ermittelte die Staatsanwaltschaft. Die restlichen Strafbefehle werden in den nächsten Tagen abgeschickt. Die Bilder der Hasselbach– Blockade gingen seinerzeit durch die Presse, weil die rheinland– pfälzische Polizei äußerst behutsam und publikumswirksam mit den Demonstranten umging. Motto: „Gewaltfrei im Hunsrück.“ Offensichtlich soll jetzt die Justiz mit hohen Strafen den nicht eingesetzten Polizeiknüppel ersetzen und hart durchgreifen, meinen die Betroffenen. Bereits in den Ermittlungsverfahren versandte der zuständige Bad Kreuznacher Oberstaatsanwalt Halfmann nahezu gleichlautende Schreiben an die Beschuldigten mit der Aufforderung, die Beteiligung an der Blockadeaktion zuzugeben. Dadurch, so Halfmann, ließe sich dann ein „erheblicher Zeit– und Kostenaufwand“ vermeiden. Diese ungewöhnliche Briefaktion begründete man im Justizministerium mit der „Fürsorgepflicht“ der Staatsanwaltschaft gegenüber den Beschuldigten. Die Betroffenen empfanden diese Schreiben dagegen als „Erpressungsbriefe“, weil man sie „mit der Drohung der hohen Kosten zu Geständnissen überreden“ wolle. Bei einer Beteiligten an der Hasselbach–Blockade nutzten Polizeibeamte gegen deren Willen sogar die polizeiliche Vernehmung zur erkennungsdienstlichen Behandlung. Die Blockade–Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hat für die rheinland–pfälzischen Staatsanwaltschaften keine Änderung in der strafrechtlichen Einschätzung von Blockaden bewirkt. Das bestätigte auf Anfrage das Justizministerium. Zwar habe eine Besprechung der Leitenden Oberstaatsanwälte im Mainzer Ministerium nach dem BVG–Urteil stattgefunden. Dort sei man aber zu der Auffassung gelangt, daß das „Sitzen nach wie vor eine Nötigung darstellt“. Auch Generalstaatsanwalt Ulrich erklärte gegenüber der taz: „Wer glaubt, er dürfe jetzt alles tun, der sieht sich im Irrtum“. Das gelte auch, wenn man sich „aus durchaus ehrbaren Gründen“ an Blockade–Aktionen beteilige. Ulrich hat auf zwei Seiten seinen Staatsanwälten „ein Resumee der Erkenntnisse aus dem BVG– Urteil“ zur „Erleichterung an die Hand“ gegeben. Allerdings räumte er ein, daß es jetzt sicherlich mehr Fälle gebe, wo man freisprechen werde. Zudem seien die Staatsanwälte gehalten, eine genaue Einzelfallprüfung durchzuführen. Im Fall Hasselbach allerdings wurde in den fast wortgleichen Strafbefehlstexten jeweils nur Anschrift, Strafmaß und die genaue Blockadebezeichnung ersetzt.