Westdeutsche Physiker lehnen Reagans SDI–Programm ab

Berlin (taz) - Das amerikanische SDI–Programm stößt bei den westdeutschen Physikern weitgehend auf Ablehnung. Das wurde am Mittwoch abend auf einer Veranstaltung der Deutschen Physikalischen Gesellschaft in Berlin deutlich. Über 1.500 Physiker aus der ganzen Bundesrepublik nehmen an der Tagung dieser Standesorganisation der Physiker teil. Beim SDI–Forum gab es fast nur ablehnende Stimmen zur Raketenabwehr im Weltraum. Technisch besteht für die Physiker kein Zweifel mehr, daß Reagans ursprüngliche Vision, einen vollständigen Atomschirm zu errichten, nicht realisierbar ist. Aber auch die neuere Linie der US–Administration, nur noch eine begrenzte Raketenabwehr durch SDI zu schaffen, wird abgelehnt. Die sei zwar technisch machbar, betonte Prof. Klaus Gottstein vom Max Planck–Institut in München. Dennoch sei es unvernünftig, an dem Projekt zu arbeiten, da es die Erstschlaggefahr erhöhe. Der Frankfurter Physiker und Friedensforscher Dr. Jürgen Altmann sieht die Menschheit am Scheideweg: „Wenn Weltraumwaffen stationiert werden, dann bedeutet das den Zusammenbruch des bisherigen Systems von Rüstungsbegrenzungsverträgen.“ Kritisches kam sogar von einem Mann aus dem Planungsstab des Verteidigungsministeriums, Dr. Heiner Weise: SDI werde nicht zu dem Technologieschub für die zivile Wirtschaft führen, wie ihn manche erhoffen. Lediglich die Rüstungstechnik werde auf breiter Ebene vorangetrieben. SDI hat unter westdeutschen Physikern das Nachdenken über die Folgen ihrer Forschungen neu angeregt. Physiker in den Betrieben wurden aufgefordert, Mitarbeit an SDI–Projekten und Rüstungsforschung generell zu verweigern. Es wurde auf das Beispiel von Siemens in München verwiesen, wo über 1.000 Techniker mit ihrer Unterschrift erklärt haben, sich nicht an SDI–Forschungen zu beteiligen. Winfried Sträter.