Kein KDV–Status für Brigadisten

■ Weil sie in Nicaragua eine Waffe trugen, aberkannte der Ulmer Prüfungsausschuß zwei Helfern ihre Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer / In einem dritten Fall wurde ganz anders entschieden

Von Vera Gaserow

Berlin (taz) - Zum zweiten Mal innerhalb von wenigen Tagen hat die Prüfungskammer des Kreiswehrersatzamtes Ulm einem seit Jahren anerkannten Kriegsdienstverweigerer diesen Status wieder aberkannt, weil der Kriegsdienstverweigerer bei einem Arbeitseinsatz in Nicaragua zum eigenen Schutz eine Waffe getragen hatte. Nachdem die Prüfungskammer schon am Montag überraschend die KDV–Anerkennung des Ulmer Schreiners Willy Manz in zweiter Instanz rückgängig gemacht hatte, hob sie am Mittwoch abend auch die Anerkennung des 31jährigen Joachim Schraivogel auf. Unverständnis löste diese Ent scheidung insbesondere deshalb aus, weil dieselbe Prüfungskammer unter demselben Vorsitzenden aber mit anderen Beisitzern wenige Tage zuvor bei genau gleichem Sachverhalt einen dritten Nicaragua–Helfer als Kriegsdienstverweigerer weiterhin anerkannt hatte und in der ersten Instanz allen drei Kriegsdienstgegnern recht gegeben hatte. Die drei Ulmer Schraivogel, Manz und Baderscheider hatten 1985 sechs Wochen lang in einem Projekt in Nicaragua Aufbauhilfe geleistet. Zum Schutz vor den Angriffen der Contra hatten sie auch eine Waffe bei sich getragen. Nach der Logik: Wer in Nicaragua eine Kalaschnikof in die Hand nimmt, kann auch in der Bundeswehr „Dienst an der Waffe“ leisten, hatte der Bundesbeauftragte für den Zivildienst beantragt, den drei überzeugten Pazifisten den Status als Kriegsdienstverweigerer wieder abzuerkennen. Dieses sehr ungewöhnliche Unterfangen war im Oktober letzten Jahres in erster Instanz an der Entscheidung des Ulmer Prüfungsausschusses gescheitert. In mehrstündigen Gewissensprüfungen hatten die drei jungen Männer dabei dargelegt, daß sie in Nicaragua ausschließlich zum eigenen Schutz eine Waffe getragen hätten und daß sie nach wie vor nicht bereit wären, in einer Armee Dienst zu tun, auch nicht in der sandinistischen. Unter Berufung auf die höchstrichterliche Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, die auch Kriegsdienstverweigerern das Recht auf Gegenwehr in Notsituationen zubilligt, hatte der Ulmer Prüfungsausschuß den Aberkennungsantrag des Bundesbeauftragten für Zivildienst verworfen. Warum nun derselbe Ausschuß in zweiter Instanz dem Begehren des Bundesbeauftragten in zwei Fällen stattgegeben hat, läßt sich, so der Rechtsanwalt eines der Betroffenen, „nur als politische Entscheidung“ begreifen. Unverständlich sei auch die ungleiche Behandlung der drei KDVler. Die beiden abgelehnten KDVler werden jetzt beim Verwaltungsgericht gegen diese Entscheidung klagen.