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Schülerprotest gegen „Abi–Deform“

■ Mehrere tausend Schüler protestierten gestern in Saarbrücken gegen die geplante Verschärfung des Abiturs / Elite–Bildung befürchtet / Anlaß war die gestern begonnene Konferenz der Kultusminister

Aus Saarbrücken Rolf Gramm

Auch in Saarbrücken demonstrierten gestern Tausende von Schülern gegen Pläne der Kultusminister, die gymnasiale Oberstufe und die Abiturzeugnisse neu zu gestalten. Aus fast allen Bundesländern waren Delegationen der Schülervertretungen angereist. 7.000 Teilnehmer zählten die Veranstalter, 3.000 die Polizei. Gleichzeitig wurden etliche Schulen bestreikt, einzelne Besetzungsaktionen waren geplant. Anlaß für die Aktionen war die gestern in Saarbrücken beginnende Konferenz der Länder–Kultusminister, von deren Beschlüssen sich die Schüler entscheidende Verschlechterungen erwarten. Am St. Johanner Markt führten die Demonstranten eine Kundgebung durch. „Die Schülerinnen und Schüler in Frankreich haben uns gezeigt, was Massen bewirken können“, erklärt Anne Polikeit vom Vorstand der Bundesschülervertretung. Ziel der Aktionen sei, vor allem die von CDU und CSU geplanten weiteren Einschränkungen ihrer Wahlmöglichkeiten im Kurssystem sowie die höhere Gewichtung von Grundkursen und Abiturprüfung gegenüber den Leistungskursen zu verhindern. Mehr Streß und eine verschärfte Auslese seien die Folge solcher Reformen. Der Protest gelte auch der geplanten Verkürzung der Schulzeit zugunsten des verlängerten Wehrdienstes. Daß die Kultusminister sich mit Hubschraubern auf das Schloß Halberg haben einfliegen lassen, ist für Alexander van Dülmen, Gesamtschülersprecher des Saarlands, der Beweis, daß ihnen die Schülerdemonstrationen der letzten Wochen „einen gewaltigen Schrecken versetzt haben“. Trotz aller Schikanen, denen die Schüler auch an saarländischen Schulen ausgesetzt gewesen seien, „solch einen Jugendprotest hat es in der Bundesrepublik seit Jahren nicht gegeben“. Im Anschluß an die Kundgebung zogen die Schüler an den Halberg, wo sie „vor Ort den Ministern zeigen wollen, was Sache ist“. Beifall kam auf, als der saarländische Kultusminister Breitenbach (SPD) bei den am Fuß des Halbergs versammelten Demonstranten erschien. Aber auch er wurde scharf angegriffen, als er erklärte, daß er zwar gegen die Pläne der CDU sei, aber auf jeden Fall auf der Konferenz zu einem einheitlichen Beschluß kommen wolle. „Sonst kommen wir dahin, daß das Abitur eines Bunndeslandes im anderen nichts mehr gilt.“ Die Forderung der Schüler, am Tagungsort direkt mit den Kultusministern zu verhandeln, lehnte Breitenbach ab. Er sei aber bereit, die von den Schülern bundesweit gesammelten etwa 25.000 Unterschriften bei der Konferenz zu übergeben. Das aber wollten die Schüler lieber selber machen. Sie lösten die Demonstration auf und starteten einen „Spaziergang zum Tagungsort“, wo sie die Unterschriften schließlich an den Präsidenten der Kultusministerkonferenz, den baden–württembergischen Minister Helmut Engler übergaben.

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