I N T E R V I E W „Was er sagt, ist nicht so wichtig“

■ Mariano Puga, Priester in Pudahuel, einem Armenviertel von Santiago

Mariano Puga ist 55 Jahre alt und stammt aus einer reichen Familie der Hauptstadt. Als der Papst sich am Donnerstag mit den Pobladores, den Bewohnern der Armenviertel, traf, war Puga einer ihrer Sprecher. taz: Sind Sie enttäuscht, daß der Papst sich auch ausgiebig dem Diktator Pinochet gewidmet hat? Puga: Nein, Pinochet und der Papst trafen sich um acht Uhr morgens für eine Stunde im Regierungspalast „La Moneda“. Pinochet hat darum gebeten, diesen Besuch zu verlängern, und der Vatikan hat nein gesagt. Pinochet wollte eine Messe des Heiligen Vaters mit seiner Familie, und der hat nein gesagt. Pinochet wollte als Staatschef an den öffentlichen Veranstaltungen teilnehmen, und der Heilige Stuhl hat ihm empfohlen, das besser bleiben zu lassen. Vor wenigen Wochen vertrat ein chilenischer Bischof, Carlos Camus von Linares, in einem Interview die Auffassung, vom moralischen Standpunkt aus könne man die Personen, die im vergangenen September ein Attentat auf Pinochet verübten, wohl kaum verurteilen, und er sprach von einer unmoralischen Regierung. Kam es nach diesen Erklärungen zu Konflikten in der Kirchenhierarchie? Das glaube ich nicht, denn Camus - als er sagte, diese Regierung sei unmoralisch - hat nur ausgedrückt, was die große Mehrheit Chiles denkt und was auch das „ständige Komitee“ des Episkopats zwischen den Zeilen gesagt hat. Es hat die Bedingungen für ein legitimes Plebiszit aufgelistet, keine einzige dieser Bedingungen ist erfüllt, also hätte es sagen müssen: Somit ist diese Regierung unmoralisch. Aber zu dieser Konsequenz ist das Episkopat nicht fähig. Warum ist dieser Papstbesuch in aller Munde? Was erwarten die Menschen? Erstmal ist da die Attraktion, die große Persönlichkeiten auf das Volk ausüben. Sehr viele verehren und vergöttern den Papst wie ein außerirdisches Wesen. Was er sagt, ist dabei nicht so wichtig. Entscheidend ist, ihn zu sehen, ihn anzufassen und wenn möglich, etwas von ihm zu haben. Diese Menschenmasse wird sich auf den Straßen wälzen. Es gibt aber auch viele, die über Tendenzen in der katholischen Kirche Bescheid wissen und die den Papst einordnen können. Er hat seinen Kopf rechts und sein Herz links, sagen manche. Ich persönlich meine: Zum Papst gehört auch der Glaubensaspekt. Den zu ignorieren hieße, sich mit der Hälfte des Papstes zufriedengeben. Interview: Iris Stolz