Todesopfer bei Papstbesuch in Chile

■ Proteste gegen Diktator Pinochet während der Papst–Reise in Chile / Armeeinsatz gegen Landbesetzungen / Johannes Paul II. spricht vor 800.000 Menschen in Armenvierteln

Berlin (taz/afp) - Der Papstbesuch in Chile hat ein erstes Todesopfer gefordert. Als etwa 315 obdachlose Familien ein brachliegendes Stück Land besetzten und Hütten aufzubauen begannen, eröffneten Soldaten und Polizisten das Feuer. Drei Personen erlitten Schußwunden, einer von ihnen, der 26jährige Roberto Juica, starb kurze Zeit darauf. Die etwa 1.700 Personen, die ihrer Siedlung den Namen „Johannes Paul II.“ geben wollen, wurden vertrieben. Die Armee schritt auch an zwei anderen Orten Santiagos ein, an denen Obdachlose Land besetzten, um Siedlungen zu errichten. Die Hoffnung, daß die Diktatur es nicht wagen würde, während des Papstbesuches hart durchzugreifen, hatte sich als falsch erwiesen. Bei den Demonstrationen am Rand des Papstbesuchs wurden weitere Personen verletzt und 150 festgenommen. Nachdem sich der Papst am Mittwoch mit Diktator Pinochet zu einem 40minütigen Gespräch unter vier Augen getroffen hatte, von dessen Inhalt nichts bekannt wurde, standen am Donnerstag ein Besuch in einem Armenviertel und eine Großveranstaltung im Nationalstadion der Hauptstadt auf dem Programm. Zu seiner Kundgebung in La Bandera, einem Armenviertel im Süden Santiagos, strömten 800.000 Menschen herbei. In einem Abstand von fünf Metern postierte Soldaten hielten die Menschenmassen zusammen, konnten aber nicht verhindern, daß immer wieder Steine gegen die Polizeieskorte des hohen Besuchs geschleudert wurden. Zwei Frauen und ein Mann trugen dem Papst ihre Sorgen vor. Sie sprachen von ihren Alltagsnöten und den Repressionen durch Armee und Polizei und forderten Johannes Paul II. auf, sich für ihre Belange und für 14 politische Gefangene, denen die Todesstrafe drohe, einzusetzen. Der Papst sprach von einer riesigen Tribüne aus, vor einer Kulisse aus stilisierten Holzbaracken, die die dahinterliegenden echten Elendssiedlungen verdeckten. Jedesmal, wenn in seiner Rede Worte wie Solidarität oder Gerechtigkeit fielen, erntete er stürmischen Beifall. Am Donnerstag abend traf der Papst im Nationalstadion der Hauptstadt mit 80.000 Jugendlichen zusammen. Bei seiner Rede verwies er auf die Bedeutung des Versammlungsortes, an dem nach dem Putsch gegen Allende Tausende von Chilenen eingesperrt, viele gefoltert und auch umgebracht worden waren. Er forderte die Jugend des Landes auf, sich nicht „von der Gewalt verführen zu lassen“. Immer wieder wurde ihm „Freiheit! Freiheit!“ entgegengerufen. Als der Papst die Versammelten fragte, ob sie den Abgott der Macht zurückweisen wollten, schallte ihm ein stürmisches „Ja“ entgegen. Wie dieselben Jugendlichen reagierten, als der Papst sie nach der Bereitschaft fragte, dem Abgott des Sex und der Lust abzuschwören, erfährt der Leser im Tagesthema auf Seite 3 A P O K A L Y P T I S C H E S F R A G M E N T Ich stand auf dem Felsen im Mittelmeer, Der Wind ruhte auf See. Die Zeit in mir ging den gewohnten Gang, Stürzen wollt ich mich In das Morgenrot. Ich sah ein weites Meer vor mir, Kein Windstoß bewegte die Wellen. Und mancherlei Gestalten stiegen empor Für dumpfe verworrene Träume. Ich ließ mich von den Lüften tragen, Gesellte mich zum Abendrot, Und da ich dies dachte, Fast lebendig erfühlte, Da wußte ich, Dies ist mein Tod. K a r o l i n e v o n G ü n d e r o d e ( 1 8 0 5 ) aus: Deutsches Lesebuch. Von Luther bis Liebknecht. Reclam Leipzig 1978