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Argentiniens Kirche war Komplize der Diktatur

■ Anders als in Chile konnten die Militärs am Rio de la Plata immer auf das Wohlgefallen der Kirche zählen / Monsenor Plaza warnt heute wieder vor den Juden in der Regierung Alfonsin / Der Antikommunismus der Kirche hat Tradition: Bei Kriegsende schleuste der Vatikan viele Nazis nach Argentinien

Aus Buenos Aires Gaby Weber

Jeden Monat feiern die „Familienangehörigen und Freunde der von der Subversion Getöteten“ - abgekürzt: FAMUS - eine Totenmesse. Bereitwillige Priester haben die Freunde der Militärdiktatur von 1976 bis 1983 noch immer gefunden. Bei ihrer letzten Messe ließ man nicht nur die Folterer Camps und Videla hochleben, es erschallten auch die Sprechchöre „es lebe Monsenor Plaza“. Jener Monsenor ist der frühere Erzbischof von La Plata, der Hauptstadt der Provinz Buenos Aires. Er hatte Anfang März vor einem „neuen subversiven Herd“ gewarnt und erklärend hinzugefügt: „In der Regierung Alfonsins gibt es viele Juden und ich weiß nicht, ob es irgend jemanden gibt, der kein Jude ist“. Plaza, aus Gesundheitsgründen heute im Ruhestand, ist ein würdiger Vertreter der katholischen Kirche Argentiniens. Die Geistlichen am Rio de la Plata sind, anders als im Nachbarland Chile, stockreaktionär und sogar mit faschistischen Elementen durchsetzt. Diese Nähe hat historische Wurzeln: der Vatikan sorgte nach 1945 dafür, daß die flüchtenden Nazi–Größen Unterschlupf in Südamerika fanden. Der Heilige Stuhl stellte ihnen Pässe mit spanisch klingenden Pseudonymen aus und verfrachtete sie in geistlicher Kleidung auf die Schiffe. Die Ausweise des vatikanischen Flüchtlingsbüros, die freigebig an die restlichen Nazis verteilt wurden, erkannten nur wenige Staaten an. Darunter war aber Argentinien. Der US–Diplomat Vincent La Vista, der in den Nachkriegsjahren in der Botschaft in Rom tätig war, verfaßte im Auftrag seiner Regierung einen streng geheimen Untersuchungsbericht über die „illegalen Wanderungsbewegungen nach Italien und durch Italien hindurch“. In dem nach ihm benannten „La–Vista–Report“ vom 15. Mai 1947 heißt es: „Der Vatikan ist die größte Einzelorganisation, die in die illega len Wanderungsbewegungen verwickelt ist. Unter den Flüchtlingen befinden sich kleine Gruppen italienischer Faschisten, die zusammen mit den Nazi–Deutschen nach Lateinamerika gehen werden. Argentinien nimmt die meisten auf. Die Ermittlungen haben ergeben, daß in denjenigen lateinamerikanischen Staaten, in denen die Kirche ein kontrollierender oder beherrschender Faktor ist, der Vatikan Druck ausgeübt hat, damit die früheren Nazis und Faschisten aufgenommen werden - solange sie nur Antikommunisten sind. Der Vatikan rechtfertigt seine Beteiligung an der illegalen Auswanderung damit, daß er nicht nur die europäischen Länder, sondern auch die lateinamerikanischen Staaten mit Leuten durchsetzen will, die Antikommunisten und für die Katholische Kirche sind.“ Diese Strategie hat sich wohl ausgezahlt. Wohl kaum eine Amtskirche ist so antikommunistisch wie die argentinische. Dort genießt der Klerus Steuerfreiheit und hat in seinen Händen das größte Vermögen des Landes konzentriert. Seit der Militärdiktatur erhalten die Bischöfe etwa 80 noch die Nebeneinkünfte. Die Kirche hat in Fernsehen und Radio kostenlose Sendezeiten. Und der Staat gewährt den Schülern des Priesterseminars denselben Monatslohn wie den öffentlichen Angestellten. Schließlich ergießt sich das staatliche Füllhorn noch in Form von Subventionen und Zuschüssen zu den kirchlichen Einrichtungen. Während der Diktatur hat die Kirche mit regelmäßigem Tedeum, Segnungen und Prunkmessen die Herrscher unterstützt. Wohl nicht nur ideologisch. Als ihr Sohn verschwunden war, so erinnert sich die Gründerin der Mütter der Plaza de Mayo, Hebe de Bonafini, bat sie Bischof Plaza um Hilfe. Der schickte sie jedoch zu einem Ex–Polizisten, der sie über die Kontakte ihres Sohnes ausfragte. Plaza, so berichteten Überlebende, sei wie etliche seiner Amtsbrüder in den Konzentra tionslagern ein– und ausgegangen. „Die Kirche war hier Komplizin der Mörder“ - sagt Maria del Rosario, heute Sekretärin der Mütter - „von etwa 80 Bischöfen haben sich nur drei für die Menschenrechte interessiert.“ Da ist zum Beispiel Bischof Jose Medina, der zu einer gefesselten und gefolterten Gefangenen gesagt hat: „Wenn Sie nicht aussagen, wo Ihr Sohn ist, können Sie nicht erwarten, daß man Sie rausläßt“. Jener Medina, der als Generalkaplan der Streitkräfte heute noch ein volles Generalsgehalt bezieht, veröffentlichte Anfang März einen ausführlichen Hirtenbrief, in dem er davor warnte, „die Rache in das Gewand der Justiz zu kleiden; Gerechtigkeit und Vergebung bedingen sich gegenseitig; und die Vergebung ist heute dringend nötig“. Für „Frieden und Vergebung“, wie von Medina und auch von Alfonsin gefordert, wird der Papst bei seinem bevorstehenden Besuch sicher beten. Vielleicht auch für sich selbst, denn der Oberbefehlshaber aller Katholiken hatte 1982, kurz nach dem Malwinenkrieg, den damaligen Junta–Mitgliedern das Abendmahl gereicht. Der Papst wird aber auch in Buenos Aires versuchen, in puncto Scheidungsrecht Stellungen zu halten. Der Oberste Gerichtshof hat vor kurzem den Artikel 64 des Zivilrechts für verfassungswidrig erklärt. In Argentinien ist die Ehescheidung bislang unmöglich, und die geplante Reform des Gesetzes scheiterte daran, daß sich weder die peronistische noch die regierende Radikale Partei mit dem Klerus anlegen will. Am heutigen Montag heiratet das erste Paar, das in eine Inquisitionsgerichte kommen inzwischen ohne Scheiterhaufen aus.“

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