„Kein Kompromiß zwischen Gott und Teufel“

■ Nach dem Scheitern der Friedensverhandlungen entstehen überall auf den Philippinen neue antikommunistische Organisationen, die der linken Guerilla den Krieg erklären / Regierung und Militär sympathisieren mit dem Bürgerwehrmodell zur Ergänzung militärischer Operationen / Armee spricht von Mini–Peoples–Power

Aus Manila Gebhard Koerte

Die Szene im feudalen Manila– Hotel wirkt gespenstisch unter Kristallüstern, Mango–mousse löffelnd, lauschen 250 geladene Gäste aus dem ganzen Land der fanatischen Ansprache von Juan Pala, Radio–Moderator aus der südphilippinischen Millionenstadt Davao–City: „Kommunisten sind Anhänger Satans. Zwischen Gott und dem Teufel darf es keine Kompromisse geben“, schreit er in den Saal und spätestens am Schluß der dreitägigen Veranstaltung, die von der Vereinigungskirche des koreanischen Sektenführers Mun mitfinanziert wird, scheinen viele Zuhörer derselben Meinung zu sein. Das Auditorium ist clever ausgewählt. Professoren, Journalisten, Plantagenbesitzer, Offiziere, Gewerkschafter, Geistliche und Geschäftsleute werden sich nach ihrem Gratisaufenthalt in der Welt der Superreichen wohl auch ein wenig verpflichtet fühlen, die religiös–politische Botschaft zu verbreiten. In fast allen Regionen des Inselstaates sollen Ortsvereine von Causa International, dem politischen Arm der Mun–Bewegung gegründet werden. Ein ehedem sanftmütiger Möbelfabrikant erklärt den Organisatoren bereits während der Schlußveranstaltung, daß ihre Anstrengungen (und Kosten) nicht umsonst waren. „Ich werde mich ihnen anschließen und erkläre hiermit den Kommunisten den Krieg“, verkündete er seine Mobilmachung. In ähnlicher Stimmung und ausgerüstet mit Dia–Reihen, Tonkassetten und Leitfäden kehrten die Teilnehmer in ihre Heimatregionen zurück. Ein Außenseitertreffen? Keineswegs. Der zweithöchste Repräsentant der immer noch sogenannten Revolutionsregierung in Manila, Vizepräsident Laurel, kam als Ehrengast und erklärte in einer Grundsatzrede: „Das Bedürfnis für Auseinandersetzungen, wie sie von Causa inszeniert werden, ist auf den Philippinen groß. Causa sollte das Land als ein fruchtbares Tätigkeitsfeld be trachten.“ Mit Kommunisten dürfe es keine Zusammenarbeit geben, das sei, „als ob man eine tödliche Schlange umarmt“. Paramilitärs und Sekten Die Formierung militanter antikommunistischer Gruppen ist auf den Philippinen nicht neu. Seit vielen Jahren werden Paramilitärs, die sich zum Teil aus religiösen Fanatikern, gewöhnlichen Kriminellen oder Überläufern aus den Rebellenarmeen zusammensetzen, von den philippinischen Streitkräften aufgebaut, kontrolliert und teilweise bewaffnet. Unter Marcos entstand die berüchtigte Integrierte Bürgerwehr (ICHDF). Eine 70.000 Mann starke, bewaffnete Truppe, die die Landbevölkerung seither bespitzelt, einschüchtert und immer wieder mit Greueltaten schockiert. Allein auf der zweitgrößten Insel Mindanao operieren daneben mindestens 30 verschiedene fanatische Sekten. Überraschend und von neuer Qualität ist dagegen, daß die Mili tärführung und konservative Regierungsmitglieder nicht nur die bisher meist geleugneten Verbindungen offen eingestehen, sondern das Modell der Bürgerwehren landesweit propagieren und offiziell in ihr Programm der Aufstandsbekämpfung einbeziehen wollen. Der Verteidigungsminister will sich dafür einsetzen, daß die Gruppen zeitweise mit Waffen ausgerüstet werden. Armeechef Ramos nennt das Konzept der Alsa Masa, einer der derzeit größten antikommunistischen Gruppen aus Davao, eine Erfolgsstory. Aquinos Militärberater versucht der Präsidentin die suspekten Fanatiker schmackhaft zu machen, indem er sie unter Anspielung auf die Ereignisse, die ihr zur Macht verhalfen, mini–people–power nennt. Mehrere Artikel der jüngst in Kraft gesetzten Verfassung sehen die Auflösung von Privatarmeen und anderer bewaffneter Gruppen sowie von paramilitärischen Einheiten vor. Gleichzeitig ist jedoch ausdrücklich das Recht der Bürger auf Selbstverteidigung festgestellt. Am 16. März gab Aquino den zuständigen Ministerien den Auftrag, die Entwaffnung und Auflösung der in der Verfassung aufgeführten Gruppen vorzubereiten. Einen Tag später verlangte das Militär eine Übergangszeit von zwei bis drei Jahren bis zur Ausführung und bekam sie. Zuvor erklärte Aquino ihre Unterstützung für das Bürgerwehrmodell. Es scheint also die maßgeschneiderte Antwort auf die neuen Verfassungsbestimmungen zu sein. Koalition gegen den Kommunismus Hintergrund der antikommunistischen Kampagne ist die Erkenntnis, daß sich die NPA–Guerilla nach dem Scheitern der Verhandlungen auch nicht allein mit traditionellen militärischen Mitteln erfolgreich bekämpfen läßt, - obgleich die Streitkräfte die Ausbildung ihrer Einsatztruppen verstärken, weitere Kampfhubschrauber und eine Zunahme der US–Militärhilfe erwarten, Lebensmittelblockaden durchfüh ren und die Bevölkerung ganzer Landstriche in Wehrdörfer zwingen. Ein Rehabilitierungsprogramm in Millionenhöhe für rückkehrwillige Guerilleros zeigt wenig Wirkung, die Zahl der NPA–Kämpfer wächst stetig weiter. Die offene ideologische und materielle Unterstützung des Militärs beim Aufbau einer Bewegung gegen die linken Rebellen beflügelt zur Zeit allerorten lokale und landesweite Aktivitäten der Rechten. In rasendem Tempo entstehen neue Gruppen, meist gesponsort von lokalen Größen oder der Armee. Ende Januar bildeten ultrarechte Organisationen, die bisher unabhängig voneinander operierten, eine Einheitsfront. Sie nennt sich Nationale Koalition gegen Kommunismus (NCAC). Ihre Führer, die angeblich 1,7 Millionen antikommunistische Kämpfer vertreten, wollen die ideologische Auseinandersetzung mit der linksnationalistischen Untergrundbewegung Nationale Demokratische Front (NDF) vorantreiben. Ort der Gründungsversammlung war das Büro des Trade Union Congress of the Philippines (TUCP) in Manila. TUCP ist eine gelbe Gewerkschaft mit schwindender Mitgliederzahl, diskreditiert durch ihre arbeitgeberfreundliche Politik und ihr Verhalten während der Marcos–Diktatur. Ihr Generalsekretär kandidiert auf der Liste der Regierungskoalition für den Senat. Rechte Technokraten auf dem Vormarsch Im Aquino–Kabinett genießen die rechten Fanatiker die Gunst des einflußreichen Ministers für Lokalregierung. Seit Dezember 1986 im Amt, hat Jaime Ferrer unter den von seinem Vorgänger eingesetzten Interimsgouverneuren und -bürgermeistern bereits Angst und Schrecken verbreitet. Auf einer Pressekonferenz bezichtigte er namentlich etwa 100 Amtsträger, zu kommunistenfreundlich zu sein, ein Vorwurf, der hier lebensgefährlich werden kann. Einige traten daraufhin schleunigst aus progressiven Organisationen aus, andere wurden kurzerhand entlassen. Nach dieser ersten Aufräumarbeit leitete Ferrer Anfang Februar mit den Worten, „die Zeit ist gekommen, unser Volk zu einer gemeinschaftlichen Anstrengung gegen die Kommunisten zu versammeln“, eine nationale Kampagne ein. Alle Ortsverwaltungen wurden angewiesen, Bürgerkomitees zu bilden. Einziger Auftrag: Bekämpfung der kommunistischen Bedrohung. Im Testgebiet Mindanao gab er, beeindruckt durch die Anfangserfolge von Alsa Masa, 15 Provinzgouverneuren zwei Monate Zeit, deren Strategie zu übernehmen. Doch hier regte sich erstmalig Widerstand. Mit unzureichender Finanzausstattung, mangelnder Bereitschaft der Bevölkerung zur (bewaffneten) Auseinandersetzung und dem Fehlen einer akuten Bedrohung begründeten einige Provinzchefs ihre offenkundige Aversion gegen das ungeliebte Projekt. Auch die Anzahl der Skeptiker, die der Aquino–Regierung eine Lösung der grundlegenden Probleme des Landes nicht mehr zutrauen, erhöht sich. Die in der vergangenen Woche und im November 1986 vorgenommenen Kabinettsumbildungen haben das politische Profil des Machtzentrums deutlich verändert. Technokraten mit US–Bindung haben progressive Nationalisten und Liberale weitgehend verdrängt oder ersetzt. In einer der seltenen öffentlich geführten Auseinandersetzungen der Regierungsspitze warf Aquinos Amtschef Arroyo dem Finanzminister offen vor, er sei ein Agent von Weltbank und Weltwährungsfonds und seine Steuerpolitik mit den Praktiken von Marcos zu vergleichen. Selbst regierungsnahe Senatskandidaten beschuldigen im gerade anlaufenden Wahlkampf die USA, sich zunehmend in die Angelegenheiten des Landes einzumischen. Ziel der zahlreichen Regierungsemissäre sei es offenkundig, den Boden für die Errichtung einer rechtsgerichteten Regierung zu bereiten.