Pazifischer Streit auf Weltwährungs–Tagung

■ IWF korrigierte Wachstumsprognose / Verhandlungen im Zeichen des „Falles“ Brasilien

Von Ulli Kulke

Berlin (taz) - Zu seiner gestern begonnenen Frühjahrstagung präsentierte der Internationale Währungsfonds (IWF) den nach Washington angereisten Delegationen Pessimistisches: Während der Fonds für 1987 das durchschnittliche Wachstum des Welt– Bruttosozialproduktes ursprünglich noch bei 3,25 Prozent ausmachte, setzte er die Prognose in seinem neuesten „World Economic Outlook“ um einen satten Punkt niedriger an: 2,2 Prozent. Die Korrektur wird während der einwöchigen Konferenz–Abfolge (der IWF tagt gemeinsam mit der Weltbank) für genügend Gesprächsstoff sorgen, ist sie doch einer der Hintergründe für die Konflikte, die zwischen den Industrieländern, aber auch zwischen den Schuldner– und Gläubigerländern schwelen. Wenn am 9. April am Rande der Weltwährungstagung die zehn wichtigsten Industrieländer in der „G–10“–Gruppe tagen, dürfte die US–Regierung vor allem den Japanern das schlappe Wachstum vorhalten. Bei der Herbstsitzung der beiden Finanz–Institutionen hatte US–Präsident Reagan den Japanern das Versprechen zu einem umfangreichen Konjunkturprogramm abgelockt. Davon hatten sie sich erhöhte Exporte ins Inselreich erhofft, zu dem sie ein riesiges Handelsbilanzdefizit unterhalten (ein rundes Drittel des Gesamtdefizits von 170 Milliarden Dollar). Bislang ist aus den schönen Worten jedoch nichts geworden, und die gesunkenen weltwei ten Wachstumsprognosen vermindern die Washingtoner Handelshoffnungen abermals. Der Washingtoner Druck auf Tokio wird sich also verstärken. Die Japaner wiederum verdächtigen die USA, sich durch „Währungsdumping“ Vorteile beim Handel zu erschwindeln: Indem man den Dollarkurs auf das Rekord–Tief von 145 Yen fallen läßt, verbillige man die US–Exportgüter künstlich - ebenfalls entgegen gültiger Vereinbarungen: Am 22. Februar hatten sich nach japanischer Lesart beide Länder im Pariser Louvre (“Louvre–Akkord“) auf einen Wechselkurs in der Größenordnung um die 160 Yen geeinigt, davon wollte US–Finanzminister Baker später indes nichts mehr wissen - Unverbindlichkeit ist Trumpf. Für die Japaner ist dieselbe jedenfalls ein teurer Spaß: Sie müssen den immer mehr an Wert verlierenden Dollar zu Hauf aufkaufen, um seinen Kurs halbwegs zu stabilisieren. Allein in der Woche vom 23. bis 27. März hat nach Auskunft eines japanischen Bankers die Tokioter Zentralbank 6 Milliarden Dollar erstanden, während sich alle übrigen Länder „nur“ mit 2 Milliarden an der Stützungsaktion beteiligten. Aber die USA bereiten den Japanern nicht nur durch Dollar– Dumping Ungemach: Letzte Woche kündigten sie drastische Strafzölle auf ihre japanischen Halbleiterimporte an, und außerdem nerven die US–Handelspolitiker seit Wochen ihre pazifischen Gegenüber mit Schimpfkanonaden in allen Medien, daß US–Baufirmen sich nicht am Bau eines Großflughafens bei Osaka beteiligen durften. Für Bundesfinanzminister Stoltenberg sind all diese Handels–Händel zunächst einmal Anlaß zu Beruhigung: Er erwartet nicht, daß die US–Regierung erneut von der Bundesrepublik verlangen wird, durch Wirtschaftsankurbelungs–Maßnahmen die Welt–Konjunkturlokomotive in Ganz zu setzen. Wenn am 9. und 10. April der IWF–Interimsausschuß und am 10. April der Entwicklungsausschuß von IWF und Weltbank zusammentritt, so wird das Dauerthema Weltverschuldung diesmal von dem Vorstoß Brasiliens bestimmt sein, seine Zinszahlungen vorübergehend auszusetzen. Das Schuldenmanagement ist mit einer völlig neuen Situation konfrontiert: Ein Land zahlt nicht mehr und drei US–Großbanken erklären ihre ausstehenden Kredite als „notleidend“, was nicht weniger bedeutet, als daß ganz Brasilien eigentlich als zahlungsunfähig gelten müßte - Vorgänge, die in vergangenen Jahren als der Anfang vom großen Crash angesehen wurden. Die pessimistischen Weltwirtschaftsprognosen und die verzweifelten Anstrengungen der USA zur Verminderung ihres Handelsdefizits dämpfen dabei die Aussichten um ein weiteres, daß sich Brasilien über eigene Exporterfolge aus der Finanzklemme befreien kann. Die Coolheit, die trotzdem die Verschuldungsszenerie auszeichnet, läuft indes auf die Frage hinaus, was die Großfinanz überhaupt noch erschüttern kann.