Freiheit auf Platz 11

■ Infas untersucht den Wertewandel in der Bundesrepublik Deutschland / Radikale Politik ohne Chance

Von Jakob Sonnenschein

Düsseldorf (taz) - Die Chancen für eine radikalere neue Politik in der BRD sind noch weit schlechter als das hessische Wahlergebnis vermuten läßt. Sicherheit und Ordnung, Pflichterfüllung, Sitte und Moral stehen beim deutschen Wahlbürger wesentlich höher im Kurs als Werte wie Demokratie, Selbstverwirklichung, Freiheit oder Reform. Geht es um die Wertvorstellungen der Menschen, so stehen sich keinesfalls zwei etwa gleich große Blöcke gegenüber, sondern die Abitur besitzenden SPD–Anhänger und die Grünen– Anhänger fühlen in aussichtsloser Position gegen den Rest der Republik. So lautet jedenfalls das interessante Ergebnis einer Infas–Analyse, die von der Report–Redaktion veröffentlicht wurde. Für wie wichtig die deutsche Wahlbevölkerung zwölf zentrale Werte hält, zeigen die folgenden Zahlen (Angaben in Prozent). Ordnung und Sicherheit (61), Pflicht (49), Sitte und Moral (49), Gleichheit (56), Solidarität (37), Wachstum (45), Leistung (26), Wohlstand (20), Demokratie (28), Selbstverwirklichung (25), Freiheit (22), Reform (29). Wird nun nach Parteienneigung gefragt, so ergibt sich folgendes Bild - CDU– Werte in Anführung, SPD– Werte in Klammern: Ordnung und Sicherheit „70“ (57), Pflicht „59“ (42), Sitte und Moral „50“ (31), Gleichheit „42“ (72), Solidarität „26“ (47), Wachstum „48“ (44), Leistung „34“ (22), Wohlstand „19“ (22), Demokratie „22“ (34), Selbstverwirklichung „21“ (26), Freiheit „13“ (29), Reformen „14“ (26). Zwar sind Werte wie Gleichheit und Solidarität für SPD–Wähler wichtiger als für Unions–Wähler, insgesamt ergibt sich aber eine große Nähe. Starke Unterschiede zur Gesamtbevölkerung werden erst deutlich, wenn Grüne und SPD–Anhänger mit Abitur befragt werden - Grüne in Klammern, SPD in Anführung: Ordnung und Sicherheit (33) „28“, Pflicht (19) „24“, Sitte und Moral (16) „11“, Gleichheit (74) „73“, Solidarität (64) „70“, Wachstum (28) „30“, Leistung (8) „17“, Wohlstand (15) „16“, Demokratie (54) „52“, Selbstverwirklichung (58) „42“, Freiheit (54) „55“, Reform (41) „40“. Resümee: Eine rot–grüne Politik kann auf die nahezu identischen Lebensstile der formal gebildeten SPD–Anhänger und der Grünen bauen, während zwischen diesem Milieu und der Mehrheit der SPD–Wähler Welten liegen. Die politisch–kulturelle Hegemonie der Linken liegt ferner denn je.