Kohl: „NS–Verbrechen nie vergessen“

■ Bei einem Essen mit Israels Staatspräsident Herzog zeigt Kohl neues Geschichtsbewußtsein / Vergleich zwischen Selbstbestimmung für Palästinenser und Deutsche / Regierung distanziert sich von Klein

Bonn (ap/taz) - Bundeskanzler Kohl hat am Dienstag bei einem gemeinsamen Essen mit dem israelischen Staatspräsidenten Chaim Herzog den Holocaust das dunkelste Kapitel in der deutschen Geschichte genannt. Kohl, der für sich bisher „die Gnade der späten Geburt“ in Anspruch nahm, sagte in seiner Tischrede: „Wir wissen, . daß das Verbrechen dieses Völkermordes in seiner kalten unmenschlichen Planung und tödlichen Wirksamkeit einmalig ist“. Es gehöre zum deutschen Selbstverständnis, das Bewußtsein für das ganze Ausmaß dieser schrecklichen Vergangenheit wachzuhalten: „Wir wollen die NS–Verbrechen nie vergessen. Wir werden uns auch gegen jeden Versuch zur Wehr setzen, diese zu verdrängen.“ Damit ging Kohl überraschend deutlich auf Distanz zu dem Versuch konservativer Historiker, die nationalsozialistischen Verbrechen mit anderen zu vergleichen. Vor dem gemeinsamen Mittagessen hatten Kohl und Herzog Aussichten auf eine Friedensregelung im Nahen Osten erörtert. Kohl erläuterte Herzog das Eintreten für das Selbstbestimmungsrecht der Palästinenser mit dem Hinweis, daß die Bundesregierung dieses Recht auch für das deutsche Volk fordere. Der israelische Staatspräsident traf in Bonn auch mit Außenminister Genscher und CSU–Entwicklungshilfeminister Klein zusammen. Dieser hatte sich vor einigen Tagen in einem Interview für Waffenlieferungen an Saudi–Arabien stark gemacht. Am Dienstag versuchte er nun gegenüber Herzog, seine Äußerungen mit dem Hinweis zu entkräften, das Interview stehe in keinem Zusammenhang mit dem Staatsbesuch. Herzog soll nach Informationen von dpa kein Bedürfnis verspürt haben, auf diese Argumentation einzugehen. Regierungssprecher Ost hatte zuvor erklärt, daß Klein seine Ansichten nicht mit der Regierung abgesprochen habe. Am Mittwoch trifft Herzog mit den Grünen zusammen. Anschließend besucht er Worms und Berlin.