Q U E R S P A L T E Frühlingsdepression

■ Nach dem Erfolg der Grünen in Hessen

Wunderbar, die Grünen sind wieder geeint. Ab sofort gibt es keine Widersprüche mehr. Alle können sich voll und ganz auf Oppositionspolitik einstellen. Die Versuchung der Macht ist in weite Ferne gerückt. Jetzt haben sie Zeit, und Zeit heilt bekanntlich Wunden. Ab sofort wird nicht mehr zwischen Fundis und Realos gestritten, wozu auch? Endlich kann wieder das außerparlamentarische Standbein so richtig in Schwung gebracht werden. Unserer Zeitung wird es nur nutzen, voll und ganz und ohne wenn und aber Oppositionsblatt zu sein - auch in Hessen. Das schafft Klarheit im Kopf. Der Feind steht wieder rechts. Machen wir uns doch nichts vor: Das schweißt zusammen. Wer nun sagt, der Wahlsieg der Konservativen in Wiesbaden sei eine vernichtende Niederlage des Reformlagers, muß dann auch hinzufügen, daß es bis zum Jahr 2000 so weiter gehen wird. Und das ist ja nun wirklich purer Defaitismus, und wer will den schon betreiben? Jetzt bloß nicht depressiv werden. Draußen ist schließlich Frühling. Also Kopf hoch und durchhalten. War doch gut so, daß die Sozialdemokraten ordentlich gedeckelt worden sind - verdient haben sie es doch immer, oder? Und der notwendige Streit um die Orientierung der Grünen ist ja auch nicht vorbei: Gestern haben die Realos, als wäre nichts gewesen, auf einer Pressekonferenz ihre Politik der neuen politischen Wirklichkeit angepaßt: Die Partei muß in den Parlamenten mit Option auf Regierungsämter die Gesellschaft verändern. Na bitte, es geht doch weiter. Rudi Radlos